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Zärtlicher Sturm

Zärtlicher Sturm

Titel: Zärtlicher Sturm
Autoren: Johanna Lindsey
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Kehle. Doch sein Gesichtsausdruck blieb unbeteiligt, und die Zuschauer hielten ihn für einen kaltblütigen Killer, dem der Tod nicht naheging. Hier, in diesem Saloon, bestätigte sich die Legende, die sich um Slade Holt gebildet hatte.
    Daran dachte Slade nicht. Er erinnerte sich an zwei zehnjährige Jungen, die verzweifelt aus Tucson flohen und von einem Mörder verfolgt wurden. Er sah alles wieder vor sich, und diesmal bekam er von der Erinnerung keine Kopfschmerzen. Feral Sloan hatte auf ihn geschossen und angenommen, daß er tot war. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, in die Felsenschlucht hinabzuklettern, um sich zu vergewissern, daß er tot war. Jetzt konnte sich Slade endlich wieder an alles erinnern. Er wußte jetzt, wie er sich auf die Suche nach seinem Bruder machen mußte.
    Er verließ Newcomb, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.

1

    New York City, 1882
    Nicht allzuweit im Norden des hektischen Geschäftsviertels wurde die Fifth Avenue eine ruhige Wohngegend. Bäume wuchsen am Bordstein zwischen hübschen Straßenlaternen. Vornehme Villen säumten die Fifth Avenue. Sandsteinbauten standen neben Häusern mit Mansardendächern im altfranzösischen Stil. Eine neogotische Villa stand neben einer Villa im italienischen Stil mit Giebeln über den Fenstern und einer Balustrade über dem Gesims.
    Die Fassade des Hammond-Hauses war eine Mischung aus Sandstein und weißem Marmor mit einer Veranda über dem Eingang und drei weiteren Stockwerken über dem Erdgeschoß. Dort lebte Marcus Hammond mit seinen beiden Töchtern. Schon vor der Geburt seiner ersten Tochter war er auf dem besten Weg zu großem Reichtum, den er sich selbst erworben hatte, und er duldete nicht, daß sich ihm etwas in den Weg stellte. Nur selten kam es vor, daß ihm jemand trotzte und sich mit ihm messen wollte, und daher war er im großen und ganzen ein gutmütiger und großzügiger Mann, vor allem seinen Töchtern gegenüber.
    Eine dieser Töchter, die ältere, machte sich gerade zum Ausgehen fertig; ihr Verlobter würde sie ausführen, ein Mann, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte. Sharisse Hammond hatte nichts gegen diese Wahl einzuwenden. An dem Tag, an dem Marcus ihr mitgeteilt hatte, daß sie im Lauf des Sommers Joel Parrington heiraten würde, hatte sie lediglich genickt. Noch ein Jahr eher hätte sie seine Wahl möglicherweise in Frage gestellt, vielleicht sogar Einwände dagegen erhoben, aber das war vor ihrer Rückkehr von einer Europareise und vor einer katastrophalen Liebesgeschichte, die so demütigend verlaufen war, daß ihr eine sichere Ehe ohne Liebe jetzt willkommen war.
    Sie konnte nicht klagen. Sie und Joel Parrington waren schon seit ihrer Kindheit miteinander befreundet. Sie hatten dieselben Interessen, und sie fand, daß er unglaublich gut aussah. Sie würden eine gute Ehe führen, und wenn sie Glück hatten, würde sich im Lauf der Zeit vielleicht auch die Liebe einstellen. Es wäre scheinheilig gewesen, wenn einer von beiden heute von Liebe gesprochen hätte, denn auch Joel beugte sich den Vorschriften seines Vaters. Doch sie mochten einander recht gern, und Sharisse wußte, daß ihre Freundinnen sie beneideten. Das trug einen großen Teil zu ihrer Zufriedenheit bei, wenn auch nicht zu einer übermäßigen Begeisterung. Es konnte nie schaden, von einer Schar von Frauen beneidet zu werden, die ständig darauf aus waren, einander auszustechen. Da ihr Reichtum dem ihrer Freundinnen gleichkam und selten Äußerungen zu ihrem Aussehen fielen, war ihr Verlobter das einzige, worum Sharisse beneidet wurde.
    Ihre Gedanken weilten jedoch im Moment nicht bei Joel. Sharisse fragte sich, wo sie Charley in einem Haus mit so vielen Zimmern wohl finden könnte. Sie hatte sich entschlossen, ihn zu ihrer heutigen Verabredung mitzunehmen. Er konnte ihr Gesellschaft leisten, wenn Joel wieder so geistesabwesend war, wie es in letzter Zeit häufig vorgekommen war.
    Zuerst sah sie im Zimmer ihrer Schwester nach, um zu sehen, ob sie Charley dort fand.
    Sharisse klopfte kurz an und wartete nicht auf eine Reaktion, ehe sie die Tür öffnete. Sie hatte ihre kleine Schwester überrascht; Stephanie zuckte zusammen und stopfte hastig Papiere in ihre Schreibtischschublade. Sie sah anklagend zu ihrer Schwester auf.
    »Du hättest anklopfen können«, sagte Stephanie gereizt.
    »Ich habe angeklopft«, erwiderte Sharisse ruhig, und in ihre Amethystaugen trat ein Glitzern. »Schreibst du Liebesbriefe, Steph? Du weißt doch, daß du sie
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