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Zärtlicher Sturm

Zärtlicher Sturm

Titel: Zärtlicher Sturm
Autoren: Johanna Lindsey
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Bediensteten taten alles, um Sharisse zu gefallen. Ihre Tante Sophie zog Sharisse vor, weil sie sie an ihre geliebte, verstorbene Schwester erinnerte. Sie wirkte nicht sehr elegant, nicht bei ihrer Größe von fast einem Meter siebzig und mit ihrem dunklen Teint, aber sie war diejenige, die in einer Menschenmenge Aufsehen erregte, ob sie nun dem Ideal entsprach oder nicht, und sie hatte eine königliche Haltung, als sei es ihr gutes Recht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.
    Stephanie hatte Sharisse nie mißgönnt, daß sie solches Glück hatte. Sie liebte Sharisse sehr. Aber jetzt bekam Sharisse das, was Stephanie mehr als alles andere auf Erden wollte – Joel Parrington. Er löste ein schmerzliches Verlangen in ihr aus. Und es tat weh zu wissen, daß sie ihn nicht haben konnte. Ihre Schwester würde ihn bekommen; und noch schmerzlicher war es, daß Sharisse sich nicht wirklich etwas aus ihm machte.
    Das waren die bitteren Dinge, mit denen sie fertig werden mußte. Ihre Schwester liebte Joel nicht. Und er sah Sharisse nie so an, wie er Stephanie ansah, mit einer Bewunderung, die er nicht immer verbergen konnte. Wenn man ihn vor die Wahl gestellt hätte, hatte sie keinen Zweifel daran, wen er gewählt hätte. Aber man hatte ihm keine Wahl gelassen. Auch Sharisse hatte man keine Wahl gelassen. Wenn doch nur ihr Vater nicht eine so strenge Hand gehabt hätte, wenn es darum ging, über alle zu bestimmen.
    Wenn doch Sharisse nur früher geheiratet hätte! Wenn sie doch nur nicht schon zwanzig wäre und man ihr noch Zeit lassen könnte, sich selbst einen Mann auszusuchen. Wenn sie sich doch nur in einen anderen verlieben würde. Sharisse konnte sich durchsetzen, wenn es nötig war. Sie konnte ihrem Vater gegenübertreten und um ihr Glück kämpfen. Hatte sie etwa nicht darum gekämpft, daß Charley bleiben durfte?
    Aber was nutzte es, auf ein Wunder zu hoffen, wenn die Heirat schon in zwei Monaten stattfinden würde? Ihr brach das Herz, und nichts half dagegen. Und wenn sie jetzt schon, ehe es wirklich soweit war, so entsetzlich litt, wie würde es dann erst hinterher werden? Sie hatten vor, nach der Hochzeit in ein Haus in derselben Straße zu ziehen. Wie würde sie es ertragen, die beiden so oft zu sehen, zu wissen, daß sie … es würde ihr unerträglich sein.
    Stephanie öffnete ihre Schreibtischschublade und zog die Papiere heraus, die sie bei Sharisses Eintreten hineingestopft hatte. Sie hatte aus der New York Times die Anzeigen herausgerissen, die Spalte Heiratsanzeigen. Wenn sie Joel nicht haben konnte, dann würde sie jemanden heiraten, der weit weg lebte, damit sie Joel nie wiedersehen mußte. Sie hatte bereits drei verschiedene Briefe geschrieben, zwei an Männer, die die Annoncen selbst aufgegeben hatten, und einen an eine Agentur, die Eheschließungen vermittelte.
    Stephanie las die Briefe jetzt noch einmal durch. Es waren Versuche, sich gut darzustellen, indem sie ihre guten Eigenschaften und ihre Fähigkeiten hervorhob. Warum hatte sie gelogen? Sie würde eine wunderbare Ehefrau für irgendeinen Mann abgeben. Warum sollte sie nicht wenigstens einen dieser Briefe abschicken? Wenn sie in New York blieb, dann bedeutete das, daß ihr weiterhin das Herz brechen würde.
    Stephanie nahm den Anzeigenteil noch einmal in die Hand. Eine der Annoncen kam von einem Rancher aus Arizona. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, was sie gelernt hatte. Ja, Arizona war weit weg. Und ein Rancher war gerade das Richtige. Vielleicht war er einer dieser großen Rinderzüchter, von denen sie gehört hatte.
    Sie las die Anzeige noch einmal von Anfang bis Ende. Sie war ein Jahr jünger als das gewünschte Mindestalter, aber sie konnte ein klein wenig flunkern und behaupten, sie sei achtzehn. ›Muß gesund und kräftig sein.‹ Sie war gesund, aber sie hatte nie Grund gehabt herauszufinden, ob sie kräftig war. ›Muß hart arbeiten können.‹ Das konnte sie wahrhaftig, wenn es sein mußte, aber sie würde auf Hausangestellten bestehen müssen, mindestens ein halbes Dutzend. ›Bild mitschicken.‹ Aha! Der Mann wollte also wissen, was er bekam, und er hoffte auf mehr als ein reizloses Mädchen.
    Stephanie lächelte vor sich hin. Sie zog ein frisches Blatt Papier heraus und fing an, ihren Brief an Lucas Holt zu schreiben.
    Sharisse betrat das Arbeitszimmer ihres Vaters im Parterre. Ein großes Porträt ihrer Mutter schmückte die Wand hinter seinem Schreibtisch. Sie wußte, daß er sich oft auf seinem prall gepolsterten
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