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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant
Autoren: Marie Cordonnier
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grenzende Zuneigung Gratiens hatte den Segen der Kirche. Was wollte sie dagegen tun? Sich wie ein leichtfertiges Flittchen einem Fremden in die Arme werfen, um ihn mit dem Duft frisch gewaschener Haare und reiner Haut zu beeindrucken? Nein, das kam nicht in Frage! Sie schlug die Hände vor das Gesicht und zwang sich zum Gebet.
    Aber alle Selbstvorwürfe und alle Gebete erwiesen sich als nutzlos. Sobald Ysobel im Schutze des geschnitzten Bettes in den Schlaf hinüberglitt, wurden ihre Träume von einem dunkelhaarigen, hochgewachsenen Mann beherrscht, der sie aus blauen Augen bewundernd ansah. In seinen Armen fühlte sie sich geborgen, und seine Lippen streichelten ihren Mund, bis ein Lächeln reinen Entzückens auf ihrem schlafenden Gesicht erschien.

3. Kapitel
    Die Festung ist verlassen!«
    »Das ist unmöglich! Ihr meint, der Wolf ist wieder auf Raubzug? Wieso haben wir nichts davon erfahren?«
    Jean de Montfort, Herzog der Bretagne und neuer Herrscher über das Land zwischen den Meeren, das unter den Wunden eines langjährigen Krieges ächzte, warf ungeduldig das Pergament auf den geschnitzten Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Trotz seiner Jugend wirkte er in diesem Moment höchst einschüchternd.
    »Paskal Cocherel ist vorsichtig geworden«, vermutete der Graf von Vannes, Hervé de Sainte-Croix, der seinen Fürsten gut genug kannte, um sich von dessen Zorn nicht irritieren zu lassen. »Er kann sich an allen zehn Fingern ausrechnen, dass wir ihn bespitzeln lassen und zudem Pläne schmieden, sein Räubernest auszuräuchern. Also scheint er sich entschieden zu haben, dieses Hauptquartier zu verlegen ...«
    Der Herzog warf dem Grafen, der im vergangenen Jahr sehr erfolgreich als Spion unter den Söldnern seines Erzfeindes gewirkt hatte, einen nachdenklichen Blick zu. Hervé zählte zu den wenigen Männern, denen er bedingungslos vertraute. »Wie sollte er das organisiert haben, ohne dass wir davon Kenntnis erhielten? Haben wir nicht Spitzel in allen Teilen des Landes, die jeden seiner Schritte belauern?«
    »Ich nehme an, er hat seine Mörderbande in kleinen Trupps aus der Burg geschickt und den Großteil seiner Streitmacht ungesehen irgendwo im Forst von Paimpol vereinigt. Wir haben kaum genügend Männer, um die Handelswege zu sichern. Wenn er sich geradewegs durch die Wälder schlägt, kommen wir ihm nur durch Zufall auf die Spur!« Wie immer legte der Graf den Finger mitten in die Wunde.
    Es fehlte dem Herzog nach wie vor an kampfkräftigen Männern, und es widerstrebte ihm diesen Mangel erneut durch gekaufte Söldner auszugleichen. Es hatte ihm schon genügend Schwierigkeiten bereitet, die englischen Kämpfer, die er zu seiner Unterstützung über den Kanal gerufen hatte, im Zaume zu halten. Wie weit es mit der angeblichen Loyalität von Söldnern vom Schlage Cocherels her war, hatten die Wochen nach der Schlacht von Auray auf traurige Weise gezeigt.
    Das Söldnerheer dieses Schurken schien damals wie aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Gefährliche, bewaffnete Männer aus den verschiedensten Landstrichen, die ihrem Anführer bedingungslos gehorchten. Cocherel hatte ihre Kampfkraft wahlweise demjenigen Herrn zur Verfügung gestellt, der den besten Lohn bot. Irgendwann hatte er sich jedoch zu seinem eigenen Heeresführer gemacht und griff selbst in das Spiel der Macht ein. Er hatte die Festung von St. Cado in seine Gewalt gebracht und nannte sich von diesem Tag an »Herzog von St. Cado« – eine Herausforderung und Hohn für den rechtmäßigen Herzog der Bretagne.
    Sein Ziel war die unumschränkte Herrschaft über das Land, dessen zerstörte Dörfer und Klöster von seinem rücksichtslosen Machtstreben kündeten. Von dem fixen Gedanken besessen, das Kreuz von Ys in seine Gewalt zu bringen, hatte er Sainte Anne überfallen, um mit Hilfe dieses sagenhaften Symbols seine Herrschaft zu legitimieren. Dass er zu spät gekommen war, ließ seine Wut in einer tödlichen Orgie aus Gewalt und Blut explodieren. Keine der Nonnen, die ihm in die Hände fielen, überlebte den Raubzug.
    Jean de Montfort bemühte sich seit dem vergangenen Herbst, den Söldnerführer zu vernichten, aber nun sah es so aus, als drücke sich der alte Wolf um die letzte und entscheidende Auseinandersetzung.
    »Wollt Ihr damit sagen, wir rüsten für einen Feldzug gegen diesen Schurken, obwohl wir gar nicht wissen, wo er sich befindet?« Der Herzog schwankte zwischen einem Wutanfall und Melancholie. »An manchen Tagen will es mir
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