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Wyler, Leana

Wyler, Leana

Titel: Wyler, Leana
Autoren: letzte Tür links (German Edition) Nottingham Castle
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gefühlt. Kein richtiger Mann war er mehr. Und sicher war es nur reine Höflichkeit gewesen, dass sie ihn anschließend so liebevoll geküsst hatte. Oder Mitleid. Was noch schlimmer war.
    Bis heute konnte er nicht verstehen, was sie eigentlich von ihm wollte. Warum strebte sie danach, mit ihm zusammenzuleben? Mit einem halben Kerl, der nicht mehr seinen Mann stand. Der keinen Namen, keinen Beruf, keine Zukunft hatte. Ein wirklicher Niemand!
    Wahrscheinlich oblag es ihm, den Schritt zu machen und sie von seiner Existenz zu erlösen. Lange hatte er sich dies schon vorgenommen, aber es war ihm nicht gelungen, sie zu verlassen. Weil er so verflucht eigennützig war und es nicht schaffte, ihr Wohl über das seine zu stellen!
    Zu verlockend war die Aussicht, mit ihr zusammen zu sein. Jeden Abend neben ihr einzuschlafen, morgens beim Aufwachen ihren Duft zu riechen und sie zu beobachten, wenn sie sich wusch und anzog. Er wollte für sie sorgen. Ihr ein guter Mann sein. Haus, Tisch und alle Gedanken mit ihr teilen. Und ihre warmen, stets vergebenden Augen zum Strahlen bringen, ein kleines bisschen nur, das wünschte er sich so sehr. Dafür würde er alles tun, was nötig war. Wenn sie nur bei ihm blieb.
    Eadric wälzte sich im Bett hin und her, doch der Schlaf kam nicht über ihn.
    Gab es überhaupt eine Aussicht, dass dies gelingen konnte? Selbst ihr Vater war gegen ihn, mit guten Gründen. Würde sich Susannah nicht irgendwann an dessen Bedenken erinnern und hierher zurückkommen? Sie gab viel auf dessen Urteil. Und der alte Williams hatte vielleicht recht damit, dass es niemals gut gehen würde.
    Er wälzte sich auf die andere Seite.
    Irgendwann stand er auf, um sich einen Becher Wasser zu holen.
    Leise öffnete er die Tür von Susannahs Schlafzimmer und erschrak, als er Kerzenschein sah. Ihr Vater saß am Tisch, über einige Lehrbücher gebeugt, und hob den Kopf.
    „Was treibt Euch zu so später Stunde durch unser bescheidenes Heim?”, fragte er, mit unverhohlener Ironie in der Stimme.
    „Nur ein Schluck Wasser”, erwiderte Eadric, ging zum Krug und goss sich ein.
    Nachdem er ausgetrunken hatte, blieb er vor Williams stehen.
    „Ihr traut mir nicht”, stellte er fest.
    Williams sah ihn mit festem Blick an. „Das ist allerdings wahr.”
    Eadrics Augen hielten dagegen. „Ich weiß, Ihr habt keinen Grund, meinen Versprechen Glauben zu schenken. Trotzdem gebe ich Euch mein Wort, dass Eure Tochter bei mir nicht zu Schaden kommen wird. Ich werde für sie sorgen, sie beschützen und stets für sie da sein.”
    Der Arzt verzog keine Miene.
    „Wie oft habt ihr es schon bereut?”, fragte Eadric in das sich ausbreitende Schweigen hinein.
    Williams sah ihn verdutzt an. „Was meint Ihr?”
    Eadric lächelte bitter. „Die Tatsache, dass Ihr Susannah dieses Mittel gegeben habt, welches meine Blutung stillte. Ich nehme an, Ihr habt Euch mehr als einmal gewünscht, es hätte nicht gewirkt.”
    Die starre Miene des Arztes löste sich ein wenig. „Ich bin Heiler, es ist meine Pflicht, Menschen zu retten”, sagte er.
    „Aber Ihr seid auch Vater. Ein sehr guter, soweit ich das beurteilen kann. Ich hatte nie einen.” Eadric schwieg einen Moment. „Ihr sorgt Euch um Susannah, da ist es völlig verständlich, dass Ihr nicht davon angetan seid, ausgerechnet mich in Eure Familie aufzunehmen.”
    „Sie hält Euch für einen guten Menschen”, antwortete der Doktor. „Ich bin mir da nicht sicher. Ihr werdet beweisen müssen, dass Ihr einer seid.”
    „Das werde ich. Ihr habt mein Wort – nicht als Edelmann, das wäre nichts wert, aber als ein Mann, den Ihr unter Einsatz Eures Lebens gesund gepflegt habt. Und als ein Mann, der Eure Tochter liebt.”
    Williams sah ihn lange an. Anschließend tat er einen tiefen Atemzug.
    „Meine Tochter hat ihren Starrsinn von mir geerbt. Also werde ich an ihrem Entschluss nichts ändern können, so schwer mir das fällt. Das ist wohl das Los eines Vaters.”
    Er streckte Eadric die Hand entgegen. „Wenn Ihr sie mir schon wegnehmt, dann sollte das zumindest in Frieden erfolgen.”
    Eadric ergriff die angebotene Hand und drückte sie kurz und kräftig.
    „Ich danke Euch”, sagte er. „Ich wünschte, ich hätte einen Vater wie Euch gehabt.”
    Williams lachte. „Seid vorsichtig mit derartigen Wünschen, Ihr seht ja bei Susannah, welch ungestüme Ableger aus einem wie mir entspringen. Und nun legt Euch schlafen, Ihr müsst stark sein für die Reise.”
    Eadric ging zurück ins Schlafzimmer,
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