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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond
Autoren: Federica de Cesco
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nicht die Richtige war. Ich fühlte mich verstoßen, unwürdig, unerwünscht.
    Olivia reagierte wie immer gelassen und mischte sich nicht ein. Ich sagte zu ihr:
    »Es ist so niederschmetternd. Ich fühle mich, als ob ich mit dem Kopf gegen die Wand renne.«
    »Du hast mein ganzes Mitgefühl. Und wie geht es Henri?«
    »Er ist viel unterwegs. Wo und mit wem, ist mir egal.«
    »Du bist nicht aufrichtig.«
    »Es tut mir leid. Ich weiß, daß ich mich idiotisch benehme.«
    »Das will ich schwer hoffen.«
    »Ich kann es nicht mehr aushalten, Olivia. Ich muß weg, verstehst du? Es reißt mich weg, es treibt mich. Aber ich komme und komme nicht weiter.«
    »Fürs erste gehst du von ihm weg«, sagte Olivia. »Schade, ihr wart ein so schönes Paar. Was Henri falsch gemacht hat, weiß er inzwischen. Jetzt mußt du nachdenken und überlegen, worin deine Fehler bestanden. Und sitz gerade, auch wenn du heulst. Ich mag keine krummen Rücken.«
    Unterhaltsansprüche stellte ich keine. Henri hatte gute Beziehungen zum Richter, und die Scheidung wurde in weniger als zehn Minuten ausgesprochen. Danach kam die Traurigkeit wieder. Aber man kann mit der Einsamkeit leben und bekommt allmählich, von einem Abend zum anderen, Übung darin.
    Nach dem Regen war es plötzlich kühl geworden. Ich stand auf, schloß die Fenster und zog meine Unterlagen aus dem Ordner. Bevor das Projekt bewilligt wurde, mußte ich ein Expose verfassen; es stellte die Grundlage dar, auf der sich andere näher mit dem Stoff befassen konnten. In der kommenden Woche würde ich Fantine treffen, die für schlampige Arbeit nichts übrig hatte. Als Co-Produzentin war ich bereit, Geld in die Sache zu stecken – jedoch nur unter der Bedingung, daß das Fernsehen mitmachte. Das
    »unabhängige Filmschaffen« war eine brotlose Kunst, aber drehte 14
    ich zwei oder drei Werbefilme, kam Geld auf mein Konto. Auch mit Werbefilmen kann man experimentieren; ich war in dieser Beziehung nicht stur. Und aus der Geschichte mit den Felsbildern ließ sich etwas machen.
    Der Anfang fand immer an meinem Schreibtisch statt, besser gesagt, in meinem Kopf. Wenn ich einmal begonnen hatte, konnte ich unmöglich wieder aufhören. Es kam mir dann vor, als sei ich in einem fließenden Übergang in eine andere Welt begriffen, als trennte ich mich allmählich von den anderen Menschen. Ich war stets bestrebt gewesen, in meinen Filmen den Autorenstandpunkt, das persönliche Anliegen, erkennen zu lassen. Ich hatte lernen müssen, für die Auswertung meiner Filme selbst zu sorgen. Zum Glück hatte ich meine Kontakte schon geknüpft; zu einigen Filmverleihern hatte ich eine gute Beziehung und wußte inzwischen, wie man einen Film verkauft. Das alles war Routine.
    Doch es kam vor, daß mich ein Schauder packte. Irgendwo tief in meinem Bewußtsein häuften sich Sedimente von Erinnerungen. Sie hatten etwas mit Afrika zu tun, mit diesem lang vergangenen Teil meines Seins. Ich spürte es mit jeder Faser meines Körpers, obwohl ich an manchen Tagen meinte, mir etwas einzubilden. Dennoch, in mir regte sich etwas. Ein beunruhigendes Gefühl. Manchmal sah ich mich selbst, wie mit den Augen einer anderen, und kam mir fremd vor.
    Ich hatte Herodots »Historien« in einem Antiquariat aufgestöbert.
    Das Buch lag neben meinem Computer. Ich schlug es auf, schaute hinein und las. Einige Seiten hatte ich mit handschriftlichen Notizen versehen – es war meine Angewohnheit, in Bücher zu kritzeln.
    Manche Satzteile waren unterstrichen. Worte drücken Empfindungen aus, verhelfen zum klareren Denken, sie sind immer in Bewegung.
    Und Worte, die viele Menschenalter überdauert haben, bleiben lebendig – so lebendig, daß sie niemals sterben können.
    »In diesem Wüstenstreifen liegen Salzstücke in großen Klumpen auf den Hügeln. Dort leben auch Menschen, zunächst die Ammoniter, die den Widder anbeten und um eine Quelle herum angesiedelt sind, die ›Quelle der Sonne‹ genannt wird. Zehn Tagesreisen weiter befinden sich ein anderer Salzhügel und eine andere Quelle, um die herum Menschen wohnen. Diese Gegend heißt Aguila. Dort ziehen die Nasamonen zur Dattelernte. Hinter Aguila, wieder zehn Tagesreisen weiter, kommt man in ein fruchtbares Land mit vielen Dattelpalmen. Da wohnen Menschen, die Garamenten heißen, ein 15
    gewaltiges Volk. Sie bedecken das Salz mit Erde, dann säen sie Korn. Die Garamanten machen mit ihren von vier Pferden gezogenen Wagen Jagd auf die Äthiopier, die in Höhlen wohnen.
    Und zehn
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