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Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Titel: Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Franziska Steinhauer
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Nachtigall hielt genau so viel Abstand, dass er unbemerkt
bleiben und doch im Falle eines Überfalls rechtzeitig würde eingreifen können.
    Zu seiner Überraschung machte Heide Fischer
einen entspannten Eindruck. Ganz anders als bei ihrer Begegnung nach der Trauerfeier,
wo sie immer wieder nervös nach einem Verfolger Ausschau gehalten hatte – jetzt
drehte sie sich nicht einmal um, schlenderte gelassen umher. Offenbar ging auch
sie – ebenso wie der Kollege – davon aus, die Gefahr sei gebannt, der Täter gefasst.
    Sie näherten sich der Adresse von Kirk Damboe.
    Hatte Heide Fischer nicht immer behauptet,
die Freunde Claudines nicht zu kennen? Seltsam, überlegte Nachtigall und beschleunigte
seine Schritte ein wenig. Galt das auch für die Studenten? Hatten sie ihm den Kontakt
zu Heide ebenso verschwiegen wie die Existenz des Schließfachs? Aber warum?
    »Was willst du jetzt bei Damboe?«, flüsterte
er leise vor sich hin und ließ sie nicht aus den Augen. Noch mehrfach bogen sie
in Nebenstraßen ein und standen dann unvermittelt vor Damboes Hauseingang. Heide
Fischer schien zu zögern. Unentschlossen wartete sie einige Minuten, dann klingelte
sie doch. Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen und zog den Schal enger.
    Damboe öffnete nicht.
    »Der Junge ist nicht zu Hause. Der sitzt
sicher noch bei Norbert Grundmann«, zischte der Hauptkommissar.
    Heide Fischer hatte beschlossen zu warten.
    Sie ging vor dem Hauseingang auf und ab,
versuchte, mit dem Handy jemanden zu erreichen, hatte dabei aber auch keinen Erfolg.
    Nachtigall fischte sein Mobiltelefon aus
der Tasche und kontrollierte das Display, stellte fest, dass auf seiner Mailbox
eine Nachricht auf ihn wartete.
    Albrecht! Das Chaos im Klinikum hatte sich
aufgeklärt, niemand war überfallen worden, alles ein Missverständnis, und nachdem
sich der Zustand von Grundmann kurzzeitig verschlechtert hatte, ging es ihm nun
wieder besser. Alles in Ordnung. Erleichtert schob er das Gerät wieder an seinen
Platz zurück.
    Als er aufsah, bog gerade Kirk Damboe in
schnittigem Tempo um die Kurve und kam unmittelbar vor Heide Fischer zum Stehen.
    Eine Diskussion zwischen den beiden entwickelte
sich. Es wirkte, als mache sie ihm Vorhaltungen. Ihre ausfahrenden Bewegungen ließen
ahnen, wie aufgeregt sie war. Gerne wäre er näher herangeschlichen, doch wegen des
Mangels an Deckung schied das aus. Eigentlich, schoss ihm durch den Kopf, eigentlich
müsste doch jetzt ein Streifenwagen mit Damboes Beamten erscheinen. Er sah sich
um, konnte aber nichts entdecken. Sollten etwa alle vier ihre Schutzbefohlenen verlassen
haben, im Glauben, ihr Auftrag sei beendet?
    Nachtigall beobachtete, wie nun auch Kirk
Damboe in Rage geriet.
    Er schüttelte heftig den Kopf und machte
energische, abwehrende Handbewegungen. Dann, plötzlich, riss er sein Rad herum und
lief auf den Hauseingang zu. Heide Fischer wandte sich zornig in die entgegengesetzte
Richtung und marschierte los.
    Peter Nachtigall überlegte, was nun zu tun
sei, da lenkte ihn eine rasche Bewegung, die er im Augenwinkel wahrnahm, ab.
    Aus dem Schutz eines Transporters löste
sich eine dunkle Gestalt und huschte mit geschmeidigen Bewegungen lautlos auf Kirk
Damboe zu.
    Nachtigall rannte los.
    »Achtung!«, brüllte er, und der junge Mann
warf sich geistesgegenwärtig hinter einen Busch. Scheppernd stürzte das Rad zu Boden.
Nachtigall hechtete über den Weg, versuchte, die Gestalt zu packen, die entwand
sich ihm geschickt, verlor ihre Waffe, sprang auf die Beine und spurtete los.
    In diesem Augenblick erschien der Streifenwagen
in der Kurve. Die Besatzung reagierte sofort, beide Beamte setzten der flüchtenden
Person nach.
    Heide Fischer stand wie erstarrt auf dem
Bürgersteig, unfähig sich zu bewegen.
    »Sind Sie in Ordnung?«, fragte Nachtigall
den Studenten besorgt, der noch immer das Gesicht in den Boden drückte. Mühsam rappelte
sich Kirk Damboe auf, klopfte sich den Schmutz von den Jeans und antwortete: »Geht
so.« Dann gaben seine Beine nach und Nachtigall stützte ihn bis zum Eingangsbereich.
Dort ließ er ihn auf die Wiese plumpsen.
    »Danke Mann! Das war knapp!«
    Heide Fischer kam mit steifen, ataktischen
Schritten zu ihnen herüber. Ihr Gesicht war tränennass, Wimperntusche unter ihren
Augen verschmiert.
    »Und ich dachte, du bist der Mörder«, hauchte
sie. »Tut mir leid.«
    »Scheint heute mein Tag als Hauptverdächtiger
zu sein«, Damboe grinste schief und ließ sich von ihr auf die Beine
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