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World's End

World's End

Titel: World's End
Autoren: T.C. Boyle
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sie und ihre Mutter einen prächtig gedeihenden Küchengarten angelegt, in dem Erbsen, grüne Bohnen, Möhren, Kohlköpfe, Blumenkohl und Rüben wuchsen, außerdem eine Doppelreihe mit Maisstauden und Kürbissen; die Samen hatten sie von Mohonk 1 , dem degenerierten Sohn des verstorbenen Sachoes, bekommen. Unter Katrinchees geduldiger Fürsorge gewannen die zwei vergreisten Kühe mit den langen Gesichtern – Kaas und Boter , wie sie der kleine Wouter hoffnungsvoll getauft hatte – allmählich wieder die seidige Grazie ihrer Jugend zurück. Jeden Morgen zerrte sie an ihren verschrumpelten Eutern; jeden Abend fütterte sie ihnen einen Brei aus Zürgelbeeren und Wiesenknöterich, wobei sie ihnen mit bebender Altstimme Lieder vorsang, die der Wind über die Felder wehte wie Gespinste aus einem Traum. Der Wendepunkt aber kam, als Mohonk sie zu einer List inspirierte: sie erwarb die frisch gegerbten Felle von zwei jungen Kälbern, die sie mit Stroh ausstopfte und an Stangen im Kuhstall befestigte – und bereits nach einer Woche bestupsten die beiden buckligen Rinder die Attrappen in mütterlicher Glückseligkeit mit ihren Mäulern und füllten die Milchkübel so rasch wie Katrinchee sie leeren konnte. Und als wäre das nicht genug, schien auch das Federvieh verjüngt. Angeregt von ihren gehörnten Kameraden begannen die Hennen zu legen, als wollten sie einen Preis gewinnen, und dem zerzausten Gockel wuchs ein schillernder neuer Schwanzfedernschmuck.
    Das Land war fruchtbar, und die Van Brunts taumelten in seine mächtige Umarmung hinein wie Waisen in den Mutterschoß. War Zucker knapp, gab es doch jede Menge Honig. Ebenso Blaubeeren, Holzäpfel, Zichorien und Löwenzahn. Und Wild! Es fiel praktisch vom Himmel. Ein Knall aus der Donnerbüchse ließ Truthähne oder streunende Kaninchen herabregnen wie Korn aus der Tenne, Rotwild lugte durch die offenen Fenster, Wildgänse und Tafelenten fingen sich in der zum Trocknen aufgehängten Wäsche. Kaum fuhr Jeremias auf den Hudson hinaus – oder den Nord-Fluß, wie er damals noch hieß –, schon sprang ihm ein Stör oder Rotbarsch ins Kanu.
    Selbst das Haus nahm unter dem rigorosen Regiment von Vrouw Van Brunt Formen an. Sie vergrößerte den Keller, scheuerte die Böden mit Sand, baute Möbel aus Weidenruten und Holz, brachte Fensterläden an, um die Viehbremsen und die heftigen Gewitterstürme fernzuhalten, die an schwülen Nachmittagen urplötzlich vom Gipfel des Dunderberg herunterbrachen. Sie pflanzte sogar Tulpen vor dem Haus – in zwei so schnurgeraden Reihen, daß sie von einem Landvermesser hätten gesetzt sein können.
    Dann, Mitte August, liefen die Dinge aus dem Ruder. Äußerlich war das Leben noch nie so gut gewesen: Bäume wurden gefällt, der Brennholzstapel wuchs an, auf den Feldern stand der Weizen kniehoch, die Räucherkammer war prall gefüllt. Katrinchee wurde zur Frau, die Jungen waren braungebrannt, abgehärtet und gesund wie Frösche, Agatha ging summend mit Mop und Besen herum. Und Harmanus, von den väterlichen Schleppnetzen befreit, arbeitete für fünf. Doch ganz langsam, unmerklich wie das erste klammheimliche Nagen der ersten Termite an den Bodenbalken, krochen Leid und Entbehrungen in ihr Leben.
    Den Anfang machte Harmanus. Eines Abends kam er vom Feld und setzte sich an den Tisch, mit einem so mächtigen Appetit, daß es ihm wie mit Messern im Bauch rumorte. Während der hutspot aus Rüben, Zwiebeln und Wild noch garte, stellte Agatha einen fünf Pfund schweren Milchkäse und ein steinhartes bruinbrod vom Vortag auf den Tisch. Fliegen und Moskitos surrten in der Luft; die Kinder spielten im Hof Fangen und schrien dabei. Als sie sich umdrehte, waren Brot und Käse verschwunden, und ihr Mann starrte mit sonderbar leerem Blick auf die Krümel hinab, während seine verkrampften Kiefermuskeln arbeiteten. »Mein Gott, Harmanus«, lachte sie, »laß den Kindern noch was übrig.«
    Erst beim Abendessen wurde sie unruhig. Abgesehen vom Eintopf – genug für die nächsten drei Tage, mindestens – standen Wildpastete, ein frisches Brot, zwei Pfund Butter, Gartensalate und ein Steintopf mit Fisch in saurer Sahne auf dem Tisch. Die Kinder fanden kaum Zeit, ihre Teller zu füllen. Harmanus fiel über die Speisen her, als habe er zum alljährlichen Pfingst-Wettessen in der Kneipe von Schobbejacken Platz genommen. Jeremias und Wouter rannten nach dem Essen hinaus, um im schwindenden Licht Ball zu spielen, aber Katrinchee, die zum Abwaschen im Haus geblieben
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