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World's End

World's End

Titel: World's End
Autoren: T.C. Boyle
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Unterarm, fühlte irgend etwas an seinen Rippen zerren. Einen Moment lang geriet er in Panik – Hesh und Lola waren da und murmelten einschmeichelnde und beschwichtigende Worte, und Jessica saß auch dabei, Tränen in den Augen. War er tot? War es das? Doch dann gewannen die Medikamente die Überhand, und die Lider fielen ihm von selbst zu.
    »Walter«, flüsterte Lola wie aus weiter Ferne. »Walter – geht’s dir gut?«
    Er versuchte, sich zu erinnern, alles wieder zusammenzufügen. Mardi. Hector. Pompey. Die Gespensterschiffe. War er die Ankerkette hinaufgeklettert? Hatte er das wirklich getan? Er erinnerte sich an das Auto, an Pompeys weggetretenen Gesichtsausdruck und daran, wie sich Mardis Papierkleid langsam auflöste, als es mit ihrer nassen Haut in Berührung kam. Er hatte seine Hände auf ihren Brüsten, und Hectors werkten zwischen ihren Beinen. Sie kicherte. Und dann dämmerte der Morgen. Vögel machten Radau. Der Parkplatz hinter dem »Elbow«. »Na ja«, krächzte er und machte die Augen wieder auf, »geht ganz gut.«
    Lola biß sich auf die Unterlippe. Hesh konnte ihm nicht in die Augen sehen. Und Jessica – die sanfte, gepuderte, herrlich riechende Jessica – sah aus, als hätte sie zwei Marathonläufe nacheinander hinter sich und wäre als letzte durchs Ziel gegangen. Bei beiden.
    »Was ist passiert?« fragte Walter und bewegte die Beine.
    »Es ist alles okay«, sagte Hesh.
    »Es ist alles okay«, sagte Lola. »Alles okay.«
    Jetzt sah er auf dem Bett hinab, sah auf die Decke, unter der sein linker Fuß wie die Mittelstange eines Zelts aufragte, und dann auf das ärmliche, eingesunkene Häuflein Linnen, wo eigentlich sein rechter Fuß hätte sein sollen.

O PIONIERE!
    Circa dreihundert Jahre bevor Walter einem Schatten auswich und auf der scharfen Schneide der Geschichte seine Spur hinterließ, betrat der erste der Peterskillschen Van Brunts das Tal des Hudson River. Harmanus Jochem Van Brunt, frischgebackener Farmer aus Zeeland, stammte von Heringsfischern ab, denen die Netze zwischen den Fingern verfault waren. Als er im März 1663 auf dem Schoner De Vergulde Bever in Nieuw Amsterdam eintraf, lag ihm vor allem daran, möglichst weit von den angestammten Fischernetzen wegzukommen, die er der Obhut des jüngeren Bruders anvertraut hatte. Die Kosten seiner Überfahrt hatte der Sohn eines Haarlemer Bierbrauers beglichen, ein gewisser Oloffe Stephanus Van Wart, der im Namen der Hochmögenden Herren der Generalstaaten von Holland einen Grundbesitz im heutigen nördlichen Westchester County überschrieben bekommen hatte. Van Warts Bevollmächtigter in Rotterdam hatte für die Überseepassage von Harmanus und seiner Familie die fürstliche Summe von zweihundertfünfzig Gulden ausbezahlt. Als Gegenleistung verpflichteten sich Harmanus, seine Gattin (die goude vrouw Agatha, geborene Hooghboom) sowie ihre kinderen Katrinchee, Jeremias und Wouter vertraglich dazu, den Van Warts auf all ihr Lebtag zu dienen.
    Man ließ die Familie auf einer Fünf-Morgen-Farm etwa eine Meile hinter dem Handelsposten von Jan Pieterse an der Mündung des Acquasinnick Creek siedeln, auf einem Stück Land, das vor kurzem noch Stammeseigentum der Kitchawanken gewesen war. Dort erwartete sie eine roh gezimmerte, strohgedeckte Holzhütte. Der Gutsherr, der alte Van Wart, gab ihnen eine Axt, einen Pflug, ein halbes Dutzend krätzige Hühner, einen kachektischen Ochsen, zwei Kühe, die nur noch tropfenweise Milch gaben, und ein Sortiment von ausrangierten, verbeulten und verbogenen Küchengeräten. Als Lohn für seine Investition erwartete er fünfhundert Gulden Pacht, zwei Klafter Holz (gespalten, angeliefert und sorgsam in dem höhlenartigen Schuppen beim oberen Gutshaus aufgestapelt), zwei Scheffel Weizen, zwei Hennen und zwei Hähne und zwanzig Pfund Butter. Fällig und zahlbar in sechs Monaten.
    Kleinmütigere Seelen wären vielleicht verzweifelt. Doch Harmanus, den in seinem Heimatdorf Schobbejacken alle ›Hau-rein-Manne‹ genannt hatten – in Anerkennung seiner Körperkraft, Beweglichkeit und seines kulinarischen Fassungsvermögens –, ließ sich so leicht nicht entmutigen. Mit seinen beiden Söhnen an der Seite (Jeremias war dreizehn und Wouter neun) gelang es ihm, bis Ende Mai weit mehr als einen Hektar des fruchtbaren, aber steinigen Bodens zu roden und die Saat auszusäen. Katrinchee, eine Fünfzehnjährige mit sprießenden Brüsten und ausladendem Hinterteil, träumte von Kohlköpfen. Als der Sommer heran war, hatten
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