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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale
Autoren: Ian Rankin
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es nicht um »Stolz«
oder darum, »eine gute Schau abzuziehen« oder »sein Bestes zu geben«. Hier ging es darum, einen
Perversen zu schnappen, einen entsetzlich brutalen Sadisten, und das, bevor er wieder zuschlagen
konnte. Und wenn man dazu silberne Kugeln brauchte, dann sollten es in Gottes Namen silberne
Kugeln sein.
Rebus zitterte noch, als ihm am Einsatzwagen jemand einen Plastikbecher mit Tee reichte.
»Danke.«
Seine Gänsehaut konnte er immer noch auf die Kälte schieben. Nicht dass es sonderlich kalt
gewesen wäre. Dafür sorgte schon die dicke Wolkendecke, und außerdem wehte kein Wind. Natürlich
war es in London meistens ein paar Grad wärmer als in Edinburgh, und zwar zu jeder Jahreszeit,
und es wehte nicht der gleiche Wind, jener bitterkalte, schneidende Wind, der Sommer wie Winter
durch die Straßen von Edinburgh fegte. Wenn Rebus das Wetter in dieser Nacht hätte beschreiben
sollen, hätte er es sogar als mild bezeichnet.
Er schloss für einen Moment die Augen, nicht aus Müdigkeit, sondern weil er versuchte, den
Anblick von Jean Coopers erkaltendem Leichnam zu verdrängen. Doch der schien sich mit all seinem
Grauen in seine Netzhaut eingebrannt zu haben. Rebus hatte erleichtert bemerkt, dass das Ganze
selbst Inspector George Flight nicht ungerührt ließ. Seine Handlungen und Bewegungen waren jetzt
irgendwie gedämpfter, seine Stimme leiser, als würde er bewusst ein Gefühl unterdrücken, den
Drang, zu schreien oder um sich zu treten. Die Taucher stiegen aus dem Fluss und kamen auf sie
zu. Sie hatten nichts gefunden. Am Morgen würden sie weitersuchen, doch ihre Stimmen verrieten,
dass sie wenig Hoffnung hatten. Flight hörte sich ihren Bericht an und nickte ab und zu. Rebus
beobachtete ihn die ganze Zeit unauffällig hinter seinem Teebecher.
George Flight war Ende vierzig, also ein paar Jahre älter als Rebus. Er war nicht gerade klein;
man hätte ihn am besten als stämmig beschreiben können. Er hatte zwar einen Bauchansatz, wirkte
aber ansonsten recht muskulös. Rebus schätzte seine Chancen bei einer körperlichen
Auseinandersetzung mit ihm nicht hoch ein. Flights borstiges braunes Haar war oben auf dem Kopf
dünn, doch ansonsten noch ziemlich dicht. Er trug eine Bomberjacke aus Leder und Jeans. Die
meisten Männer über vierzig sehen in Jeans albern aus, Flight jedoch nicht. Sie passten zu seinem
Auftreten und seinem forschen geschäftigen Schritt.
Vor langer Zeit hatte Rebus Kriminalbeamte nach ihrer Kleidung in drei Gruppen eingeteilt: die
Jeans-und-Leder-Brigade, deren Angehörige so taff aussehen wollten, wie sie sich fühlten; die
gepflegten Anzug-und-Krawatte-Typen, denen es um Karriere und Respekt ging (nicht unbedingt in
der Reihenfolge); und die Unscheinbaren, die einfach das trugen, was ihnen am Morgen in die
Finger fiel, und deren jeweilige Kleidung normalerweise das Ergebnis eines einstündigen Einkaufs
in einem großen Kaufhaus war.
Die meisten Kriminalbeamten gehörten zu den Unscheinbaren. Rebus nahm an, dass er selbst in diese
Gruppe fiel. Doch als er sich zufällig in einem Seitenspiegel des Wagens erblickte, stellte er
fest, dass er gepflegt aussah. Anzug-und-Krawatte-Typen kamen nie gut mit denen von der
Jeans-und-Leder-Brigade klar.
Flight schüttelte gerade einem wichtig aussehenden Mann die Hand, der nach dem Händeschütteln die
Hände sofort wieder in die Tasche steckte, Flight mit leicht gesenktem Kopf zuhörte und ab und zu
nickte, als ob er tief in Gedanken versunken wäre. Er trug einen Anzug und einen schwarzen
Wollmantel. Er hätte selbst mitten am Tag nicht adretter angezogen sein können. Die meisten Leute
wirkten allmählich erschöpft, ihre Kleidung und ihre Gesichter waren verknittert. Es gab nur zwei
Ausnahmen: diesen Mann und Philip Cousins.
Der Mann schüttelte jetzt Dr. Cousins die Hand und begrüßte sogar Dr. Cousins Assistentin. Dann
deutete Flight auf den Wagen... nein, auf Rebus!
Sie kamen auf ihn zu. Rebus nahm den Becher aus dem Gesicht und nahm ihn von der rechten in die
linke Hand, falls Händeschütteln angesagt sein sollte.
»Das ist Inspector Rebus«, sagte Flight.
»Ah, unser Mann von nördlich der Grenze«, sagte der wichtig aussehende Mann mit einem ironischen
und ziemlich überheblichen Lächeln. Rebus erwiderte das Lächeln, sah aber Flight an.
»Inspector Rebus, das ist Chief Inspector Howard Laine.«
»Angenehm.« Händeschütteln. Howard Laine klang wie ein Straßenname.
»Sie sind also hier«,
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