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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber
Autoren: R Adelmann
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bin schon jetzt
    ein nervliches Wrack. Der Koch sagte mir gerade, dass er zu
    wenig Erdbeeren bestellt hat“, schrie sie mir förmlich ent-
    gegen.
    „Carla, das hier ist deine Verlobungsparty. Geh nach oben,
    zieh dir das Kleid an, das du so panisch unter deine Achseln
    geklemmt hast, und lass die Leute ihre Arbeit machen. Alles
    wird gut gehen. Los, geh jetzt!“, befahl ich ihr und deutete
    auf die Treppe zu den Gästezimmern.
    Sie gehorchte und stürmte, noch immer aufgeregt, in den
    ersten Stock. Es tat gut, mal jemand anderen zu trösten und
    das Kommando über ein Chaos zu übernehmen, das man
    leichter in Ordnung bringen konnte. Während Carla und
    Christian sich nun fertig machten, sorgte ich dafür, dass der
    Buffet-Aufbau nach Carlas Wunsch arrangiert wurde und die
    Tischkarten und alles andere am richtigen Platz landeten.
    Als Carla und Christian gegen sieben ihre Gäste begrüß-
    ten, hatte ich es geschafft, mich so sehr in den Party-Ablauf
    zu verstricken, dass ich mit möglichst wenigen Leuten spre-
    chen musste. Carla wurde so in Beschlag genommen, dass
    ich bis zum Essen kaum mit ihr geredet hatte. Es war schön,
    Carla so nervös und glücklich zu sehen, und ich hatte genug
    Beobachtungen und Eindrücke, damit meine Rede nicht von
    meiner eigenen Stimmung überschattet sein würde. Nach
    dem Essen, das ich zum größten Teil nicht angerührt hatte,
    unterhielt ich mich mit Carlas Mutter Lilly. Ich sorgte da-
    für, dass sie den Löwenanteil des Gesprächs übernahm. Das
    war nicht schwer, immerhin platzte sie vor Glück und Stolz
    und ich war heilfroh, dass ich nur lächeln und zustimmend
    nicken musste. Als wir das Dessert hinter uns hatten, schlug
    ich auf die Gläser und läutete damit den lockeren Teil des
    Abends ein. Ich musste lediglich noch meine Rede hinter
    mich bringen.
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    „Darf ich um Aufmerksamkeit bitten“, bat ich und schlug
    dabei mit der Gabel ans Glas. Ich wunderte mich über mich
    selbst, anscheinend war ich wieder im Autopilot-Modus.
    „Heute feiern wir die Verlobung von Carla und Christian.
    Es gibt kaum zwei Menschen, die einander mehr verdienen,
    als ihr beide euch. Carla, du bist die beste Freundin, die
    ich mir vorstellen kann, und deine Herzensgüte und Wärme
    werden dich überallhin begleiten, auch in dein neues Leben
    an Christians Seite. Christian, noch niemand hat Carla so
    glücklich gemacht wie du. Und auch wenn ich dich noch
    nicht so lange kenne, weiß ich ganz genau, dass du jemand
    bist, der immer für sie da sein wird. Ich wünsche euch Glück,
    Liebe, Vertrauen und dass ihr einander nie in den Wirren des
    Lebens verliert. Auf Carla und Christian!“, brachte ich den
    Toast aus und nahm einen Schluck von dem Sekt.
    Ich hatte meine Rede ganz passabel überstanden. Ledig-
    lich am Ende drohte ich eine wenig in meine Verzweiflung
    abzustürzen, aber Carlas strahlender Blick in meine Augen
    verhinderte das Schlimmste.
    Ich war eigentlich recht überzeugend bei meiner Aufga-
    be. Immerhin hielt ich nach meiner Ansprache noch zwei
    Stunden durch. Es half, dass offenbar die wenigsten ein
    brennendes Verlangen verspürten, mit mir zu sprechen. Ein
    paar Gäste gratulierten mir zur Rede und ein paar Mal stahl
    sich Carla in meine Richtung, um mir zu gestehen, dass sie
    jetzt lieber mit Christian allein sein würde. Ich stimmte ihr
    verständnisvoll zu. Diesen Wunsch konnte ich mehr als nur
    nachvollziehen. Ich schlug vor, ihr den Rücken zu decken,
    damit sie mit Christian kurz verschwinden konnte. Als sie
    dann wieder zurückkamen und beide grinsend strahlten,
    fühlte ich etwas völlig Unbekanntes. Den Stachel der Eifer-
    sucht. Ich war neidisch, nicht auf die Verlobung oder die
    bevorstehende Heirat, aus beidem machte ich mir nicht viel.
    Ich war eifersüchtig auf ihre vertraute Nähe, auf die ich stän-
    dig verzichten musste, seit Istvan mich zu meinem eigenen
    Besten mied. Genau in dem Moment, als ich mich in diese
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    düsteren Gedanken verstrickte, entdeckte ich Istvan auf der
    anderen Straßenseite. Zuerst glaubte ich an eine Halluzina-
    tion oder einen Tagtraum, aber als er über die Straße ging, in
    meine Richtung, in aller Öffentlichkeit, war ich mir sicher,
    dass es wirklich geschah. Istvan tauchte auf der Verlobungs-
    party von Carla auf. Hatte er vollkommen den Verstand ver-
    loren? Wollte er die Party sprengen? Doch ich irrte mich.
    Er machte keine Anstalten hereinzukommen. Er stand auf
    der Straße und starrte mich durch die Glastür von
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