Wofuer die Worte fehlen
entsetzten Schrei, als sich der glühende Stab in seinen Körper bohrt â¦
Als Kristian aufwacht, ist es taghell in seinem Zimmer. Er kann sich vor Bauchschmerzen kaum rühren. In seinem Gesicht sind die Tränen längst wieder getrocknet, nur das Bettlaken fühlt sich noch feucht an. Wieder einmal hat er es nicht geschafft, rechtzeitig aufzustehen.
Er bleibt liegen und lauscht in die Stille der Wohnung. Alles ist ruhig. Die Sonne scheint durch die Vorhänge, ein neuer Tag hat begonnen, die nächste Nacht liegt in weiter Ferne, eine tröstliche Vorstellung.
Er steht auf und setzt sich an seinen Schreibtisch. Dortliegt noch immer der Block mit der vermeintlich letzten Szene, die Sakura vorgeschlagen hat. Der Schwarze Ritter, vernichtet durch die Wutkugel aus Masarus Bauch.
Kristian nimmt seinen schwarzen Stift in die Hand, und während ihm die Tränen die Wangen herunterlaufen, zeichnet er das Ende der letzten Szene neu:
Masaru bemerkt nicht, wie ein leiser Windhauch die glühende Asche auf dem Boden neben ihm durcheinanderwirbelt, erst langsam, dann immer schneller, bis die Gestalt des Schwarzen Ritters erneut in voller GröÃe dasteht â¦
Er zittert am ganzen Körper, als er den Stift aus der Hand legt.
Dann stellt er sich lange unter die Dusche, lässt das heiÃe Wasser über seinen Körper laufen, bis der ganz rot angelaufen ist. So rot, wie die Feuerwutkugel in seinem Bauch. Und doch war sie nicht stark genug. Es wundert ihn eigentlich nicht. Er hat gewusst, dass der Schwarze Ritter nicht zu besiegen ist.
Er zieht sich an und macht sich auf den Weg zur Schule. Er hat Zeit, er kommt so oder so zu spät. Der Vater ist zur Arbeit gefahren, ohne ihn zu wecken.
Die dritte Stunde beginnt gerade.
»Wo kommst du denn um diese Zeit her?« Herr Malert verteilt Arbeitsblätter und ist gar nicht erfreut, Kristian zu sehen.
»Von zu Hause.«
Seine Mitschüler kichern.
»Jetzt werd nicht auch noch frech!« Es gibt Dinge, da versteht Herr Malert keinen SpaÃ. Zu diesen Dingen gehören an oberster Stelle das Zuspätkommen und freche Antworten. Das ist bei allen Schülern bekannt und niemand würde verspätet auch noch frech werden. Aber manchmal sind Lehrerfragen so dumm, dass die Antwort frech klingt, obwohl sie richtig ist.
Die schimpfenden Worte seines Klassenlehrers rieseln an ihm herunter wie das heiÃe Wasser unter der Dusche.
»Wo ist dein Elternbrief?«
Zielsicher findet Herr Malert einen weiteren Punkt, bei dem Kristian an diesem Tag unangenehm auffällt. »Alle anderen haben ihn schon abgegeben. Wie soll ich denn die Liste mit den Sprechzeiten fertig machen, wenn ich nicht alle Terminwünsche habe?«
»Sie müssen nicht warten. Mein Dad hat keinen Terminwunsch. Er hat keine Zeit. Er will Sie gar nicht sprechen. Er sagt, es gibt kein Problem!«
Kristian sieht seinen Klassenlehrer mit dem gleichen genervtenAusdruck im Gesicht an, wie sein Vater am Abend zuvor ihn angeschaut hat: »Die Lehrer werden dafür bezahlt, dass sie mit euch alleine klarkommen, und nicht, dass sie immerzu die Eltern um Hilfe anflehen müssen. Oder hast du was angestellt?«
Kristian hat den Kopf geschüttelt. Nichts vorgefallen, auÃer dem üblichen Vergessen von Heften und Hausaufgaben. Dass er zusammen mit seinen Freunden hinter der Pausenhalle eine kleine Flasche Wodka geleert hat, kann ja keiner wissen, schlieÃlich hat Maren aufgepasst und sie rechtzeitig vor dem Herannahen der Aufsicht gewarnt.
»Es gibt kein Problem? Na, das sehe ich aber ganz anders! Warum kommt deine Mutter dann nicht? Sie ist doch sonst auch gekommen?«, will Herr Malert wissen.
»Die ist in der Slowakei, bei meiner Oma. Die ist wieder krank!«
»Dann soll dein Vater kommen. Ich muss dringend mit einem Elternteil sprechen.«
Kristian schaut ihn erschreckt an.
»Nun mach nicht so ein Gesicht. Du weiÃt doch selber, was los ist. Die Kollegen beschweren sich ständig über dein Herumgehampel. Wie oft bist du in diesem Schuljahr mit dem Stuhl umgefallen?«
Kristian zuckt mit den Schultern. Fünfzigmal, hundertmal, jedenfalls mindestens einmal täglich.
»Viel mehr Sorgen machen mir aber deine ewigen Bauchschmerzen. Du musst einmal richtig untersucht werden.«
»Ich war schon überall. Sogar bei so einer Psychotante. Sie haben nichts gefunden.«
»Wahrscheinlich hat man an der falschen Stelle gesucht. Du
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