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Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Titel: Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)
Autoren: Cathryn Constable
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durfte! Angestrengt starrte sie auf zwei japanische Touristen mit Legwarmers, Trenchcoats und Stachelhaaren im Mangastil. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte zwei Duellanten daraus zu machen, die sich im Schutz der Dämmerung trafen. Der Größere könnte ein Dichter sein, wenn sie ihm einen Hut verpasste, der die rosa Strähnchen in seinem Haar verdeckte. Und der andere war vielleicht ein Leutnant, der ihn beim Kartenspiel betrogen hatte … oder nein, halt, der Größere hatte den edlen Araberhengst des anderen gestohlen und lahm geritten …
    »Sophie Smith!«
    »Ja?«, sagte Sophie und zuckte erschrocken zusammen. »Ich meine, Entschuldigung. Oui?«
    Hinter ihr lachte jemand. Sophie schaute auf die Tafel, auf der lauter neue Vokabeln aufgetaucht waren, während sie aus dem Fenster gestarrt hatte. Und dem Tonfall nach fragte die assistante nicht zum ersten Mal. Marianne drehte sich um und bewegte stumm die Lippen – wahrscheinlich wollte sie ihr die Antwort einsagen. Aber Sophie kapierte gar nichts, sosehr Marianne sich auch anstrengte.
    Und dann schneite Mrs Hingley, die Schulsekretärin, ins Zimmer. Beflissen wie immer stand sie in der Tür, eine untersetzte Gestalt im viel zu engen Pulli, und ihr hässlicher kleiner Mund wirkte mit dem knallpinken Lippenstift noch winziger und boshafter als sonst. Mrs Hingley wechselte ein paar Sätze mit Mademoiselle Deguignet, dann starrte sie Sophie mit unverhohlener Missbilligung an und stampfte wieder zur Tür hinaus.
    »Du wirst anscheinend im Büro der Schulleiterin verlangt, Sophie«, sagte die assistante verwundert.
    Sophies Stuhl scharrte viel zu laut, als sie aufstand. Mademoiselle Deguignet zuckte zusammen und wieder stieg Gelächter in der Klasse auf. Wahrscheinlich wegen Sophies Pulli. Sie bereute es schon wieder, dass sie nicht gleich vor dem Frühstück in die Kleiderkammer gegangen war. Hinterher hatte sie keine Zeit mehr dafür gehabt – und jetzt musste sie wieder Mrs Sharman unter die Augen treten. Mit flauem Magen verließ sie das Klassenzimmer und ging so langsam wie möglich zum Büro der Schulleiterin.
    »Sophie!«, rief plötzlich jemand, und als sie sich umdrehte, kam Delphine auf sie zugerannt.
    »Was machst du denn hier?«
    »Ich hab Mademoiselle Deguignet gesagt, dass ich aufs Klo muss.« Delphine zog ihren Pulli aus und gab ihn Sophie. »Schnell! Zieh dich um! Mrs Sharman kriegt einen Tobsuchtsanfall, wenn sie dich schon wieder in dem alten Lappen sieht!«
    Dankbar zog Sophie ihren Pulli aus und reichte ihn Delphine, die ihn sich lässig um die Schultern drapierte; das sah schick aus und die meisten Löcher waren auf diese Weise kaschiert.
    »Ich drück dir die Daumen«, flüsterte Delphine.
    Sophie klopfte an die Tür des Sekretariats. Ihr Herz raste und ihre Wangen brannten. Bestimmt war sie knallrot. Nervös leckte sie sich über die Lippen und streckte den Kopf zur Tür hinein, sobald sie zum Eintreten aufgefordert wurde. Mrs Hingleys Jack-Russell-Terrier begann in seinem Korb unter dem Schreibtisch zu knurren.
    Mrs Hingley bedeutete Sophie mit einem mürrischen Nicken, dass sie in Mrs Sharmans Büro gehen sollte.
    Die Schulleiterin prüfte gerade Zahlen auf einer Tabelle und ihre Brille war ihr halb über die Nase heruntergerutscht. Ohne aufzublicken, sagte sie: »Ich wollte gerade deinen Vormund anrufen, aber ich kann sie unter keiner der Nummern erreichen, die wir in unseren Akten haben. Weißt du zufällig, wo sie sein könnte?«
    Sophie stand mitten im Zimmer. Sie war noch ziemlich weit vom Schreibtisch entfernt, aber irgendwie erschien es ihr unpassend, näher zu treten. Wo zum Kuckuck war Rosemary noch mal? Bridge spielen in Mallorca, wenn sie nicht alles täuschte.
    Seufzend blickte Mrs Sharman auf. »Was hast du nur gemacht, Sophie?«, fragte sie. »Ich begreife es nicht.«
    »Ähm …«, fing Sophie an.
    Mrs Sharman runzelte die Stirn. »Ich meine, als du die Besucherin in der Schule herumgeführt hast? Hast du irgendwas zu ihr gesagt?«
    »Ähm … also eigentlich nur, dass sie auf dem Schulgelände nicht rauchen darf«, erwiderte Sophie.
    Mrs Sharman schüttelte den Kopf. »Und was hast du sonst noch gesagt?«
    Sophie zupfte am Ärmel von Delphines Pulli herum. Kuschelig. Viel, viel weicher als ihrer. Vielleicht Kaschmir? »Nichts, soviel ich weiß.«
    »Unglaublich«, murmelte Mrs Sharman vor sich hin. Dann stand sie vom Schreibtisch auf. »Also, was immer du gemacht hast, Sophie, unsere steinreiche Besucherin aus
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