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Wo ich zu Hause bin

Wo ich zu Hause bin

Titel: Wo ich zu Hause bin
Autoren: Anselm Gruen
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Doch Gott ist nicht nur die Heimat, die uns im Tod erwartet. Vielmehr ist Gott hier und jetzt schon unsere Heimat. Das hat der Apostel Paulus auf seinen vielen Wanderungen und bei allen Gefahren auf seinem Weg immer wieder erfahren.
    Man hat den Christen oft vorgeworfen, dass sie vor den Problemen dieser Welt ausweichen auf die jenseitige Welt. Sie brauchen hier keine Heimat zu haben, denn sie suchen ja die ewige Heimat im Himmel. Doch so dürfen wir weder die Aussagen des Hebräerbriefes noch die des Apostels Paulus verstehen. Glauben heißt für den Hebräerbrief, auszuwandern aus der irdischenHeimat, schon hier und jetzt eine himmlische Heimat zu haben, in der wir im Glauben jetzt schon wohnen. Doch diese himmlische Heimat wird uns im Tod dann für immer erwarten und Heimat sein. Auch für Paulus war das Wort von der Heimat im Himmel keine Einladung, aus dieser Welt auszuwandern und sich nur der Meditation und dem Gebet zu widmen. Vielmehr hat sich Paulus unermüdlich für die Menschen eingesetzt und hat ihnen die Frohe Botschaft verkündet, damit sie die Welt aus dem Geist Jesu heraus menschlicher gestalten. Das Wort von unserer Heimat im Himmel will darauf hinweisen, dass alle irdische Heimat immer nur relativ ist. Wir können uns hier nicht für immer festsetzen. Spätestens der Tod wird uns unsere irdische Heimat entreißen.
    Die Frage ist, ob uns das Angst macht oder ob wir im Bewusstsein unseres Todes unsere Heimat hier genießen können. Unsere Sehnsucht nach Heimat wird meistens von der realen Heimat nie ganz eingelöst. Denn unsere Heimat kann auch eng und kleinkariert sein. Viele leiden an der Enge ihrer Dörfer, in denen sie ihre Kindheit verbracht haben. Sie mussten sich aufmachen, um in die Weite zu kommen. Und sie kommen oft auch gar nicht gerne in ihre Heimat zurück, weil sie an all die negativen Erfahrungen erinnert werden. Doch sowohl die Enttäuschung über die Heimat als auch die guten Erinnerungen an sie wollen unseren Blick über die irdische Heimat hinausführen. Die Christen verstanden sich als Fremde und Gäste auf der Erde. Ihre Heimat war in Gott. Der Glaube gab ihnen schon hier die Heimatin ihm. Das hat sie befreit von dem Heimweh nach ihrem Heimatort auf Erden. Das Wissen, dass sie hier schon eine andere Heimat haben, hat ihnen die Möglichkeit geschenkt, überall daheim zu sein, wohin sie auf ihren Missionsreisen auch gekommen sind.
    Das paulinische Wort, dass unsere Heimat im Himmel ist, zielt nicht nur auf das Jenseits. Es erinnert uns daran, dass wir unsere Heimat nicht im Irdischen suchen sollen, sondern in Gott. Auf Erden lebend sollen unsere Herzen im Himmel verankert sein. Wir haben eine Heimat, die uns niemand nehmen kann. Selbst wenn wir aus unserer irdischen Heimat vertrieben werden, kann unsere innere Heimat nicht verloren gehen. Der Himmel ist nicht nur das Jenseitige. Der Himmel – so sagt der Dichter Angelus Silesius in seinem berühmten Vers – ist in dir: »Halt an, wo laufst du hin? Der Himmel ist in dir. Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.« Wir sollen Gott nicht im Außen suchen. Er ist schon in uns. Dort in uns ist der Himmel, in dem Gott wohnt und in dem wir selbst hier schon auf Erden Heimat finden. Wenn wir in uns den Himmel, die wahre Heimat haben, dann sind wir überall daheim. Was Angelus Silesius in seinem berühmten Vers zum Ausdruck bringt, wird verdeutlicht durch die Sprache. Das Wort Himmel kommt von Hemd und meint ursprünglich das uns Bedeckende, Umhüllende. Der Himmel als Gott, der uns mit seiner Gegenwart einhüllt, ist in uns. Und dort sind wir daheim, geschützt und geborgen. Das bringt die deutsche Sprache auch zum Ausdruck, indem sie Heimat mit Heim und Geheimniszusammenbringt. Ein Heim ist ein Haus, in dem ich mich daheim fühle, in dem ich mich loslassen und ausruhen kann. Die Frage ist aber, was das Gefühl von Heimat ausmacht. Die deutsche Sprache sagt, dass wir letztlich nur dort daheim sein können, wo das Geheimnis wohnt. Es braucht die Erfahrung des Geheimnisses, um mich daheim zu fühlen. Nur die Erfahrung der Familie und der Zugehörigkeit schaffen noch keine Heimat. Es braucht etwas, das die Familie übersteigt. Es braucht das Geheimnis, das sie einhüllt. Das eigentliche Geheimnis ist Gott. Nur dort, wo in einem Haus auch das Geheimnis Gottes wohnt, vermag der Mensch daheim zu sein.
    Das gilt nicht nur für die äußeren Häuser, die wir bewohnen. Wenn wir uns zurückerinnern an die eigene Kindheit, dann boten uns
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