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Wo die Toten ruhen - Psychothriller

Titel: Wo die Toten ruhen - Psychothriller
Autoren: PeP eBooks
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einfach nicht damit aufhören. Sie wollte einen Erwachsenen. Na schön, den konnte sie haben, und jetzt hatte sie auch noch seine volle verdammte Aufmerksamkeit.
    »Nicht hier. Komm mit rauf. Bitte.«
    »Erstens, warum sagst du mir nicht, wohin du gehst, wenn du nicht einkaufen, zur Arbeit oder auf den Friedhof gehst? Wie wäre es, wenn wir damit anfingen?«
    Ein Schweigen, greifbar wie der Nebel, der draußen über dem Canyon lag, saugte den Sauerstoff aus der Luft. Ray schob die Hand tief in seine Tasche.
    Ihre Stimme klang dünn. »Ich bin einsam.«
    Er zog einen Schlüssel heraus und warf ihn auf den Tisch. Er kreiselte und blieb dann vor der Miniaturgarage liegen.
    »Ich wollte es dir sagen, Ray.« Sie wischte sich Tränen aus den Augen. »Heute Abend.«
    »Du hast ihn auf dem Fernseher liegen lassen.« In dem miserablen Motel am Pacific Coast Highway hatten sie immer noch altmodische Schlüssel, was ihn überrascht hatte. Er hatte gedacht, gewöhnliche Schlüssel seien inzwischen so altmodisch wie Telefone mit Wählscheibe.

    »Aber du hast nichts gesagt.« Sie vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Du auch nicht.« Schmerz kroch durch sein Herz wie eine Kugel in Zeitlupe.
    »Ich will es erklären …«
    »Du hast dich so billig weggegeben«, sagte Ray und umkreiste nervös den Tisch. »Für ihn ist es etwas völlig Mechanisches, andere Menschen anzuziehen. Er sieht nicht mal besonders gut aus; er ist bloß ein aalglatter Verkäufer. Wir haben über ihn gelacht, Leigh! Weißt du noch? Und jetzt … Wie konntest du nur?«
    Sie fuhr mit den Händen durch ihr langes Haar. »Ich weiß es nicht.«
    Er schob beide Hände in die Taschen. Seine linke Hand stieß auf eine Spule Kupferdraht. Wie schnell konnte er diesen Draht um ihren Hals schlingen und dem Schmerz ein für alle Mal ein Ende bereiten?
    Er sah das Ganze vor sich. Er konnte es, ja. Sie hatte die Liebe, die sie einst verbunden hatte, verraten; der Schmerz war so intensiv, dass er kaum denken konnte; die Angst vor der Zukunft war immens; alle Gefühle konnten zurück in die Erinnerung geschoben werden, sicher wie ein alter Brief, der in einer Schachtel Staub ansammelte.
    Er zog die eine Hand aus der Tasche, schob sie um ihren Nacken und zog sie an sich, die andere Hand hielt den Draht weiter umklammert. Er vergrub das Gesicht in ihrem Haar und dem Duft ihrer Haut. Er konnte es. Er konnte sie umbringen. Er konnte sie ganz leicht umbringen. Er hielt sie dicht an sich gedrückt, als er aufstand, und überlegte, wie genau er es anstellen sollte.

1
    Keine dreißig Meter weit weg trieb eine weiße Yacht tief durch weiches Wasser, von Kat und Jacki nur durch die dünne Glasscheibe getrennt, die die Rückwand des Restaurants bildete. Ein Mann mit weißer Mütze spazierte über das Deck. Weiter weg schaukelten blendend weiße Boote unter einem hei ßen, wolkenlosen Himmel an ihrer Vertäuung. Kat zog ihren Baumwollblazer aus und streifte unter dem Tisch die eleganten Schuhe ab. Ihre Schwester Jacki saß ihr gegenüber, ihre marineblauen Augen waren hinter einer riesigen Sonnenbrille verborgen, ihre Lippen waren geschminkt und sie trug eine ärmellose Bluse, die über ihrem Acht-Monats-Bauch hing wie die Dachtraufe eines steilen Daches. »Hattest du einen schönen Morgen?«, fragte Jacki.
    »Einen ganz normalen durchgeknallten Augustsonntag. Ich habe im Schlafanzug die Zeitung gelesen und mich amüsiert, bis ich den Fehler gemacht habe, einen geschäftlichen Anruf zu beantworten, und einen handfesten Streit mit einem sehr wütenden Hausbesitzer in La Cienga hatte, der der Meinung war, sein Haus sei doppelt so viel wert wie laut meinem Gutachten. Tut mir leid, dass ich zu spät komme. Ich konnte keinen Parkplatz finden, also werde ich wahrscheinlich abgeschleppt.«
    »Der Weg hierher hat mich fast umgebracht.« Jacki lebte mit ihrem Ehemann Raoul, der an der University of California, Los Angeles, Bioethik und Biologie lehrte, gleich hier in Marina del Rey, nur zwei Blocks entfernt, in einem Loft. Kat konnte sich
mit nur einem Einkommen diese Gegend nicht leisten, sie lebte mehrere Kilometer südlich in Hermosa Beach.
    »Aufschneiderin. Ich hätte statt dieses Latte Macchiato eine Margarita bestellen sollen«, sagte sie und trank einen Schluck. »Mit Tequila geht doch alles viel leichter.«
    »Du trinkst zu viel.«
    »Genau wie du, wenn du nicht schwanger bist.«
    »Schon kommen die ersten Tiefschläge«, sagte Jacki freundlich und reichte ihr eine Serviette, »und du
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