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Wo die Toten ruhen - Psychothriller

Titel: Wo die Toten ruhen - Psychothriller
Autoren: PeP eBooks
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anderes zu tun, und da habe ich es schlichtweg …« Sie wollte seinen Arm drücken, doch er wich ihr aus. Stattdessen griff sie nach einem Stück Balsaholz, aus dem er ein kompliziertes Verandageländer gefertigt hatte, legte es jedoch wieder
hin, als sie seinen Blick bemerkte. »Ich bin beim Drugstore vorbeigefahren und habe etwas geholt.«
    »Das hat, großzügig gerechnet, eine Stunde gedauert«, sagte Ray. Er bastelte an einer kleinen Stufe herum, die auf eine Veranda führte. Irgendwie bekam er diese Veranda nicht richtig hin. Manchmal ließ seine Erinnerung ihn im Stich. Wie viele Menschen konnten sich an Einzelheiten erinnern, die fünfundzwanzig Jahre und länger zurücklagen? Angesichts der Tatsache, wie das Gehirn funktionierte, wie Gefühle die Erinnerungen färbten und verzerrten, gelang ihm das recht gut.
    Er versuchte es noch einmal, doch die Stufe wollte einfach nicht richtig sitzen. Sie war zu kurz geraten. Er drückte mit dem Daumen darauf und brach das leichte Holz in zwei Stücke. »Was hast du sonst noch gemacht?«
    Die Falte zwischen ihren Augenbrauen reagierte auf etwas in seiner Stimme.
    »Besorgungen«, sagte sie. Jetzt beäugte sie die zerstörte Verandastufe.
    »Müssen ja reichlich viele gewesen sein. Besorgungen.«
    »Ich bin rumgefahren, okay? Ich war noch nicht bereit, nach Hause zu kommen.«
    »Es ist der Jahrestag von Tom Tinsleys Tod, nicht wahr? Du warst auf dem Friedhof. Das machst du immer, Leigh. Ich weiß das, seit wir verheiratet sind.«
    Sie antwortete nicht.
    »Hast ihm Blumen gebracht. Hast mit dem toten Mann geplaudert. Diese Angewohnheit habe ich noch nie verstanden. Mir scheint, man sollte das Leben feiern, nicht den Tod.«
    »Es war kein Feiern, Ray.«
    »Nein, vermutlich nicht. Aber ich habe es satt, allein zu essen, Leigh, und es kommt mir vor, als würde ich im Augenblick sehr häufig allein essen.«

    »Ich bin nicht hier runtergekommen, um mit dir zu streiten, okay? Ich habe uns einen Wein eingeschenkt. Warum legst du die Sachen nicht erst mal weg? Lass uns reden, okay?«
    Der Klebstoff tropfte, das Balsaholz glitt exakt an seinen Platz. Diesmal war es genau richtig, und er trat zurück, um es in seiner Vollkommenheit zu bewundern. »Später vielleicht.« Er unterdrückte das heftige Bedürfnis, sie fertigzumachen, dennoch stieg eine Hitze in ihm hoch, und Emotionen bereiteten sich darauf vor, hinauszuschießen wie Feuerbälle. Er musterte das Architekturmodell des Hauses, den winzigen Grundriss, der zur Gänze sichtbar war, als hätte ein Orkan das Dach weggeblasen. Er bewunderte seine Präzision, obwohl, sollte das vordere Fenster nicht vielleicht ein bisschen größer sein?
    »Verdammt!« Sie schlug nach seiner Hand, und er ließ ein kleines Stück Holz fallen. »Was ist los mit dir? Was soll der ganze Mist? Deine eigene kranke Feier? Ich meine, du hast als Kind in einem Haufen Häusern gewohnt. Das geht Millionen von Kindern so, aber sie machen weiter, vergeuden ihr Leben nicht an ein bescheuertes Hobby, bei dem sie versuchen, eine bescheuerte Vergangenheit zu neuem Leben zu erwecken!«
    Er hob das Stück auf, das zu Boden gefallen war, und legte es behutsam auf den Tisch neben einen Haufen Späne. »Ich habe es dir erklärt«, sagte er mit einer Beherrschtheit, die ihn selbst erstaunte. »Ich habe meine Liebe zur Architektur entwickelt, als ich in diesen witzigen kleinen Kisten gelebt habe. Es ist ein Hobby, wie Boote bauen oder jagen. Es macht mir eben Spaß.«
    »Du hast immer gesagt, die Häuser, in denen du wohntest, hätten eine Aura gehabt. Ich habe darüber nachgedacht. Ich habe gedacht: War es warm in diesem Haus? Hat dieses Haus ihn beschützt? Hat dieses Haus ihm Angst eingejagt? Ich habe dir die Sache verziehen, die dich so von mir entfremdet hat. Aber inzwischen bist du wie besessen. Du tust nichts anderes
mehr. Du gehst nicht mal mehr mit mir ins Kino.« Sie unterbrach sich, und er sah, dass sie Mühe hatte, ruhig zu bleiben. »Schau, Ray, ich kann so nicht leben, so abgeschnitten von dir und von dem, was wir miteinander hatten. Wir waren uns so nah. Wir haben einander alles anvertraut!«
    »Das tun wir nicht mehr.«
    »Ich versuche es, okay? Ich habe etwas zu sagen. Es gibt einiges, was ich dir sagen muss.«
    »Okay.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, hielt seine Stimme ruhig, konnte die Faust aber nicht öffnen. »Du willst reden? Dann reden wir.« Angst flackerte in ihren Augen auf, und obwohl er abscheulich fand, was er da tat, konnte er
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