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Wo die coolen Kerle wohnen

Wo die coolen Kerle wohnen

Titel: Wo die coolen Kerle wohnen
Autoren: Susanne Friedmann
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Verantwortung scheuten und sich verdrückten wie wirbellose Weichtiere.
    Unzensiert warf ich meinem Bruder an den Kopf, was ich so direkt noch keinem Mann gesagt hatte. Er hörte mir zu und schwieg danach beunruhigend lange. Er dachte offenbar gar nicht daran, sich zu verteidigen oder zu rechtfertigen, sondern sagte nur: »Schwesterherz, da schiebst du aber einen ordentlichen Männerhass, was?«
    Das saß. Männerhass? Ich? – So ein Blödsinn! Ich referierte Fakten! Und Erfahrungswerte! Wenn ich allerdings an meine Mädelsrunden und unsere männerfeindlichen Sprüche dachte, bei denen wir uns prächtig unterhielten, dann musste ich doch zugeben, dass es schon fast zum guten Ton gehörte, auf den Männern herumzuhacken und sie ziemlich pauschal abzuwerten.
    Das sagte ich meinem Bruder natürlich nicht. Noch nicht. Stattdessen revanchierte ich mich mit dem Gegenvorwurf, er sei ein Frauenhasser.
    »Muss auch mal sein«, konterte mein Bruder lässig. »Ich habe mich lange genug zum Deppen gemacht, mich geduckt und nur eingesteckt.« – Wollte er jetzt etwa als armes Opfer bemitleidet werden?
    Und dann erklärte er auch noch, er habe vor, sich endlich einmal um sich selbst zu kümmern. – Hatte er das nicht schon sein ganzes Leben lang ausgiebigst getan? Der alte Egoist!
    Obwohl wir uns stritten wie in Kindertagen, entspann sich zwischen meinem Bruder und mir allmählich ein Dialog, der schonungslos, aber trotzdem noch liebevoll war und der bis heute andauert. Mein Bruder offenbarte mir Dinge, die er einer anderen Frau so wohl nicht gesagt hätte. Ich konnte ihn im Gegenzug ohne Scheu attackieren und ausfragen. Im Geschwistermodus lässt es sich (sofern das Thema »Geschwisterrivalität« aufgearbeitet ist) über ein so heikles Thema einfach entspannter reden als in vielen anderen Frau-Mann-Beziehungen oder gar als Paar.
    Schon unsere ersten Telefonate bewirkten, dass ich mich beim gewohnten Lästern über »die zickigen Männer in den Wechseljahren« zunehmend unwohl fühlte. Ich erfuhr von meinem Bruder, was ihn in den letzten Jahren bewegt hatte, wie verunsichert er war, mit welchen körperlichen und seelischen Beschwerden er zu kämpfen hatte. Vor allem aber: wie schlecht er und seine Freunde sich gegen emotionale Verletzungen ihrer Frauen wehren konnten.
    »Stopp«, rief mein Bruder, wenn ich wieder einmal anfing, das, was er gesagt hatte, auf meine Weise zu verstehen, beziehungsweise eben nicht zu verstehen, sondern zu interpretieren und umzudeuten. »Hör doch einfach mal nur das, was ich sage«, bat er mich, »und nicht das, was du hören möchtest, was du dir rausfilterst. Warum fällt euch das bloß so schwer, euch Frauen?«
    Darauf wusste ich erst einmal keine Antwort. Aber mir kam in den Sinn, dass es zwar den Begriff »Frauenversteher« gibt, dass die »Männerversteherin« aber ihren Weg in die Alltagssprache noch nicht gefunden hat. Warum nur?
    »Ist doch logisch«, meinte Agnes, eine junge Kollegin, mit der ich mich darüber austauschte. »Männer sind so einfach gestrickt, so leicht durchschaubar, da braucht sich eine Frau gar nicht anzustrengen. Keine Frau muss Fachfrau sein, um die zu verstehen.«
    So, so. Und das Wort »Frauenversteher«, mit dem der Versuch einiger Männer, besonders einfühlsam zu sein, karikiert wird, unterstellt noch dazu, dass ein Mann sich abmühen kann, wie er will – ihm wird es nie und nimmer gelingen, uns Frauen in unserer phantastischen Komplexität, Gefühlstiefe und Differenziertheit jemals auch nur annähernd zu begreifen.
    Glücklicherweise hat diese hochmütige Einschätzung neben gehässigen auch nette Witze hervorgebracht. Eine Kostprobe: »Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen – zum Beispiel mit der Relativitätstheorie.«
    Nach vielen Gesprächen mit meinem Bruder kam mir diese Haltung plötzlich nicht nur anmaßend, sondern auch schlicht falsch vor. Ich musste akzeptieren, dass wir Frauen meist auch nur das von den Männern verstehen, was wir aus unserer weiblichen Sicht und Erfahrungswelt heraus verstehen können (und wollen). Ansonsten interpretieren und projizieren wir, was das Zeug hält.
    Was wir für weibliche Einfühlung in die männliche Gedanken- und Gefühlswelt halten, ist oft eher eine Einwühlung , ein maulwurfhaftes Reinbohren und ein Reindrücken unserer eigenen Themen und Theorien. Das hat was von emotionalem Kulturimperialismus. Und ich fürchtete, dass
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