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Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)

Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)

Titel: Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
Autoren: Hannah Moosbach
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Reden für ihn unmöglich. Überhaupt habe ich ihn schon lange nicht mehr sprechen hören, denn immer, wenn ich ihm begegne, kaut er irgendwas. Am Telefon ist das auch so. Wenn ich anrufe, nimmt er zwar den Hörer ab, doch die Schmatzgeräusche und das unheilvolle Stampfen am anderen Ende der Leitung geben mir deutlich zu verstehen, dass er nicht mit mir reden möchte. Stattdessen reicht er das Telefon kommentarlos an meine Mutter weiter. Im Allgemeinen ist Horst wie ein Unfall – so schrecklich, dass man zu geschockt ist, um wegsehen zu können. Zudem verblüfft mich seine Ähnlichkeit mit dem Onkel von Harry Potter auch jedes Mal aufs Neue. Bei Horst habe ich hin und wieder auch mal eine Woche lang nichts zu essen bekommen – weil er mir immer zuvorgekommen ist und selbst alles weggemampft hat. Wie ein riesiger Walhai streift er Tag für Tag mit seinem weit geöffneten Maul durch das Haus und verschlingt dabei alles, was nicht fest mit dem Boden verankert ist. Doch seitdem ich nicht mehr bei ihm und meiner Mutter lebe, stehe ich der Situation mehr oder weniger gleichgültig gegenüber – obschon es hin und wieder Dinge gibt, die mir noch immer einen eiskalten Schauer über den Rücken jagen.
    Wenn ich daran denke, dass er früher regelmäßig auf der einzigen Toilette im Haus eingeschlafen ist, schüttelt es mich heute noch. Hätte er dabei doch wenigstens nicht jedes Mal die Badezimmertür sperrangelweit offen gelassen. Würg! Und obwohl er wie ein Riesenbaby sabbert und oben auf dem Wäschekorb gerne seine rekordverdächtig lang getragene Unterwäsche präsentiert – doppelwürg! –, ist er der König im Herzen meiner Mutter.
    Einmal ertappte ich mich bei der Frage, wie es einem Mann überhaupt gelingt, eine Bremsspur in seiner Unterhose zu hinterlassen. Ich grübelte weiter darüber nach, wie sie solche Ausmaße annehmen konnte? Eine Woche später zog ich aus. Egal, wie oft ich mir die eigens für diesen Zweck angeschaffte Pinzette geschnappt hatte, um Horsts mühsam erarbeitete Errungenschaft in den Wäschekorb zu verbannen, am nächsten Tag lag immer wieder eine , neue alte‘ Unterhose auf dessen Deckel, die unverblümt schon aus der Ferne seine neu gestaltete Kreation zur Ansicht freigab. Bis heute kann ich mir nicht erklären, wie er das in der kurzen Zeit wohl geschafft haben mag. Aber das ist in diesem Haus nur eine von vielen ungelösten X-Akten.
    Die Pinzette des Grauens wollte ich nach meinem Auszug zerstören. An ihrer Stelle hätte ich ohnehin längst versucht, Selbstmord zu begehen. Doch irgendwie ist sie nicht tot zu kriegen ...
    Einmal, als ich sie ins Feuer geworfen habe, hätte ich schwören können, elbische Buchstaben an ihrer Oberfläche aufleuchten zu sehen „Die Pinzette der Macht ... Die Eine ...“. Auch heute noch kann ich ihren Ruf vernehmen, wenn ich zum vereinbarten Samstags-Mittagessen in Hinterwäldler-Hausen auftauche und gelegentlich in die Verlegenheit komme, das Badezimmer aufzusuchen. Mittlerweile habe ich es geschafft, meine Blase so zu trainieren, dass sie problemlos ein Fassungsvermögen von sechshundert Millilitern bis zu fünf Stunden speichern kann. Es hat mich viel Zeit und Mühe gekostet, doch wenn ich ab Freitagmittag keine Flüssigkeit mehr zu mir nehme und pünktlich zu den vor Enttäuschung triefenden Ansprachen meine Person betreffend, am Samstagnachmittag verschwinde, klappt das.
    Die Pinzette, die ich in der regnerischen Nacht vor meinem Auszug hinter dem Haus vergraben hatte, sucht mich gelegentlich noch immer in meinen Alpträumen heim ... Dreifachwürg. Dabei fällt mir auch wieder ein, dass ich den Hersteller in einem Brief darum bitten wollte, mir eine Karte mit dem Weg zum Schicksalsberg zukommen zu lassen.
    Schnippisch zupft meine Mutter beide Vorhänge von der Gardinenstange, erst den rechten, den Horst zuvor noch als Schweißtuch benutzt hat, und dann den linken, in dessen Nähe Horst noch nicht einmal ansatzweise gekommen ist, was mir durchaus einleuchtet. Denn der Fernseher, in dessen Nähe es Horst immer wie ein Kuchen riechendes Opossum zieht, befindet sich neben dem rechten Vorhang.
    Horst und der Fernseher sind wie zwei sich anziehende Magneten – kommt einer in die Nähe des anderen, können sie durch nichts und niemanden so schnell wieder getrennt werden. Dinge wie der Abwasch, die Waschmaschine und der Staubsauer hingegen wirken auf Horst durch und durch abstoßend. Beide Seiten finden einfach nicht zueinander, das hat die Natur so
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