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Wir zwei allein - Roman

Wir zwei allein - Roman

Titel: Wir zwei allein - Roman
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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nicht, was ich sagen soll, als sie die Tür öffnet und auf die Straße tritt.
    Komm, wir sind spät, sagt sie.
    Eine halbe Stunde darauf betreten wir das Foyer, unter den Kronleuchtern stehen alte Damen in Schals und mit Sektgläsern in der Hand. Theres macht große Augen über die goldenen Rahmen der Spiegel. Ich hole ihr ein Glas Orangensaft, mir ein Glas Sekt. Der zweite Gong ertönt, wir lassen uns von der Menge ins Parkett mitziehen. Ich gehe hinter ihr und stelle mir vor, wie ich an ihrem Hals rieche. Ihr Nacken ist so schlank, wenn sie die Haare hochsteckt. Von feinen dunklen Härchen bedeckt. An ihrem Haaransatz hinter dem Ohr muss sie riechen, wie sie nur nach dem Aufwachen riecht.
    Der Vorhang geht auf, und Gregorio sagt zu Simson: Zieh vom Leder, hier kommen ein paar von den Montägischen. Und Theres flüstert: Simson ist ganz schön dick. Ihre Hand umklammert das Holz der Sessellehne. Meine Hand liegt auf meinem Bein, ich bin eingezwängt wie im Bus. Sucht ihr Händel, Herr?, fragt Gregorio. Händel, Herr?, fragt Abraham. Ich leere mein Sektglas, beuge mich vor, schiebe es unter den Stuhl. Ihr lügt!, ruft Abraham. Zieht!, schreit Simson. Die Bühnenplatten scheppern. Ich spüre, wie Theres neben mir die Armlehne umklammert. Ich schiele auf ihre Knie hinunter, die sich unter dem Stoff des Kleids gegeneinander verschieben. Meine linke Hand macht eine Kuhle. Sie würde genau auf eins von Theres’ Knien passen. Romeo erscheint. Und welcher Gram dehnt euch die Stunden?, fragt Benvolio. Dass ich entbehren muss, was sie verkürzt, antwortet Romeo.
    Wenn ich Schauspielerin wäre, sagt Theres in der Pause, würde ich in meinem Kostüm essen, schlafen und unter die Dusche gehen. Sie lacht, lehnt sich an eine Säule und massiert sich den Fußknöchel.
    Du wärest eine viel bessere Julia als die Frau da drin, sage ich. Du könntest alle spielen: Iphigenie, Emilia Galotti, das Mariedl.
    Ach du, sagt Theres. Was erzählst du schon wieder.
    Später sitzen wir im Café Aspekt gegenüber dem Theater. Um uns herum Studenten der Volkswirtschaft in Hemdchen und Pullundern oder rosa Tops.
    Hast du dich schon mal gefragt, warum die Schwerkraft nicht in umgekehrter Richtung funktioniert?, fragt Theres. Dann könnten wir unsere Getränke trinken, in dem wir einfach den Mund darüberhalten. Allerdings bräuchten wir dann viel Haargel, damit uns die Haare nicht zu Berge stehen. Und mein Kleid hier müsste ich mit Steinen beschweren, damit ich es nicht ständig wie Marilyn Monroe nach unten streichen muss. Außerdem hätte uns die Natur von Anfang an anders gemacht. Mit Beinen nach oben. Dann wären unsere Köpfe da, wo jetzt unser Hintern ist. Und unser Hintern wäre an unserem Hals.
    Theres, sage ich. Fühlst du dich nicht manchmal allein?
    Allein? Wieso allein?
    Keine Ahnung. Ich meine, wünschst du dir nicht manchmal jemanden, der mit dir da ist? Mit dem du Dinge unternehmen kannst?
    Eigentlich nicht, sagt sie. Ich hatte mal einen Freund. Vor zwei Jahren oder so.
    Aber das war doch nichts, oder?, sage ich.
    Er war Holzbildhauer in Kirchzarten, sagt sie.
    Aber Theres. Meinst du nicht, es würde dir guttun, jemand Neues zu haben? Jemanden, der dich wirklich mag.
    Ja, vielleicht. Aber man kann ja schlecht eine Nummer anrufen und sagen: Guten Tag, ich würde mich gern verlieben.
    Na ja, sage ich. Meistens muss man sich für so etwas gar nicht so anstrengen.
    Also der Holzbildhauer lag nicht unbedingt vor meiner Nase herum, sagt Theres. Ich bin vor seinem Stand auf dem Münstermarkt stehen geblieben und habe mir so eine merkwürdige Figur auf dünnen Beinen angeschaut, die er Rattenfänger von Freiburg nannte. Ich habe gesagt, dass ich mir einen Rattenfänger anders vorstellen würde. Wir haben eine Weile gestritten, und er fragte, ob er mich auf einen Kaffee oder Tee einladen kann.
    Na ja, sage ich. Manchmal dauert es einfach länger, bis man jemanden bemerkt.
    Keine Ahnung, sagt Theres. Da kenne ich mich bestimmt nicht so gut aus wie du. Sie lacht. Sie schaut auf die Uhr über der Theke. Schon Mitternacht, sagt sie. So ein schöner Abend.
    Ja, sage ich. Ein sehr schöner Abend.
    Romeo und Julia, sagt sie. Das habe ich schon lange nicht mehr gesehen.
    Ich begleite sie zum Eschholzpark.
    Bis bald, sagt sie. Sie hebt lächelnd die Hand und überquert den Rasen, ist schon in ihre Straße gebogen.

    14    Ich ramponiere mich. Heißer Brei, um den wir reden. Das Drehmoment einer Welt, die kreiselt und leiert und rotiert und
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