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Wir wollen Freiheit

Wir wollen Freiheit

Titel: Wir wollen Freiheit
Autoren: Julia Gerlach
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Und wenn Ägypten so etwas tat, was haben dann die anderen arabischen Regierungen gemacht? Die Angst vor dem Terror war ein wichtiger Grund, weshalb Europa und die USA den Diktatoren in der Region all die Jahre die Treue gehalten haben. Womöglich müssen wir die Geschichte des islamischen Terrors und des Kampfes gegen ihn, welcher ja die vergangenen 10   Jahre sehr geprägt hat, noch einmal umschreiben.
    Dieses Buch beginnt am Tahrir-Platz, wo am 25.   Januar 2011 gegen 15   Uhr ein Wunder passierte und plötzlich nichts mehr so war, wie man immer gedacht hatte. Im ersten Teil beschreibe ich noch einmal Tag für Tag dieses Wunder von Kairo mit allen seinen Höhen und Tiefen. Für mich persönlich war dies eine wunderbare und zugleich nervenaufreibende Zeit. Seit 2008 arbeite ich als Korrespondentin in Kairo. Ich lebe hier mit meiner Familie. »Mama, ich will Schokokuchen machen!« sagte unsere ältere Tochter am vierten Tag der Revolution. Das war der Tag, an dem Handys und Internet ausgeschaltet wurden. »Klar, machen wir, wenn das hier vorbei |10| ist!« Auf die Nachfrage der Siebenjährigen, wann das ungefähr sein werde, sagte ich: »Wenn der Präsident abgetreten ist!« Seitdem wartete sie und verfolgte im Fernsehen mit, was
Al Dschasira
und Co berichteten. Den Kuchen backte sie schließlich mit meiner Schwester in Deutschland. Nachdem die Schlägerbanden mit Pferden und Kamelen auf den Tahrir gestürmt waren und die Stimmung sich gegen Ausländer richtete, brachte mein Mann die Mädchen nach Deutschland. Urlaub bei der Familie, weg von Panzern und Schlägertrupps.
    Im zweiten Teil gehe ich der Frage nach, wie es zum »Wunder« gekommen ist. Viele sprechen von einer Facebook-Revolution, andere sagen, Einflüsse von außen hätten dazu geführt. Doch in Ägypten ist schon seit Jahren eine Protestbewegung herangewachsen und – das ist das Entscheidende – es ist eine Zusammenarbeit von Aktivisten entstanden, welche über ideologische Grenzen hinweg ging. Da trafen sich junge
Muslimbrüder
mit den Anhängern liberaler Ideen, Sozialisten und Marxisten und sie alle fanden, dass sie ein Ziel haben: Freiheit! Nicht zuletzt passierte das Wunder von Kairo im Arabischen Frühling. Ägypten hat sich bei Tunesien angesteckt und nachdem der Sturz Mubaraks geglückt war, kannten auch die Jugendlichen in anderen arabischen Staaten kein Halten mehr.
    Im dritten Kapitel geht es um die anderen arabischen Länder: Libyen, Bahrain, Syrien und Jemen. Ich hoffe inständig, dass dieser Teil des Buches zumindest in seinem düsteren Ausblick am Ende überholt ist, wenn Sie, liebe Leser, es in den Händen halten. Hoffentlich ist nach dem Sommer das Kapitel Muammar al Gadhafi, Baschar al Assad und Ali Abdullah Saleh abgeschlossen und auch in Bahrain sieht es nicht mehr ganz so finster aus.
    Das Problem, dass es schwierig ist, Ereignisse zu beschreiben und zu analysieren, die noch nicht abgeschlossen sind, stellt sich auch im vierten Teil: Die Revolution in Ägypten |11| ist mit dem Sturz Mubaraks nicht zu Ende und das Land geht durch eine Phase, die man am ehesten mit einer Achterbahnfahrt vergleichen kann: Mal lebt die Hoffnung, dass der Neuanfang gelingt, dann versinkt das Land wieder in einer Welle von Gewalt. Kirchen brennen! Besonders der Konflikt zwischen den Religionen macht den Menschen zu schaffen. Die Militärregierung verliert immer mehr an Vertrauen, es gibt aber auch keine Alternative. Unter den Jugendlichen der Revolution ist es zunehmend verpönt, den Begriff »Revolution« zu benutzen. Mubarak sei zwar weg, aber sonst sei alles beim Alten, sagen sie. In diesen Tagen Mitte Juli ist der Tahrir-Platz wieder voll. Es ist fast so wie Ende Januar, Anfang Februar. Die Menschen wohnen in Zelten, auf mehreren Bühnen werden politische Reden gehalten und abends gibt es Konzerte. Die Hauptforderung des neuen Protestes ist die Verurteilung des Ex-Präsidenten und der Polizisten, die während der Revolution auf die Demonstranten geschossen haben. Zugleich spaltet sich das Land: Liberale und Islamisten beäugen sich misstrauisch. Auch entfernt sich die Elite, die in den Salons von Kairo die Zukunft diskutiert, zunehmend von dem Rest der Bevölkerung, dem mangelnde Sicherheit und hohe Lebensmittelpreise zu schaffen machen. Die Wirtschaft läuft derweil nur sehr langsam wieder an. Wohin steuert Ägypten?
    Im fünften Teil komme ich wieder zum Ausgangspunkt: Welche Rolle spielte der Islam in der Revolution und wie verändert die
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