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Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition)
Autoren: Megan Crewe
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nickte.
    »Ich will das mit der Transfusion noch einmal versuchen«, erklärte ich ihr. »Bei Meredith. Ich möchte, dass du so viel Blut wie möglich von mir nimmst und es ihr gibst, alles.«
    »Kaelyn«, antwortete sie. »Ich weiß ja, dass du gern helfen willst, und ich weiß, wie schrecklich du dich jetzt fühlen musst, aber ich glaube nicht …«
    »Was kann schon noch passieren?«, unterbrach ich sie. »Nur einmal. Nur ein einziger Versuch. Das ist alles, worum ich dich bitte. Ich brauche die Gewissheit, dass wir auch alles getan haben, was wir konnten.«
    Sie sah mich einen Moment lang traurig an, dann seufzte sie. »Einverstanden«, sagte sie. »Gib mir zehn Minuten, um die nötigen Instrumente zu holen, dann treffen wir uns in der Eingangshalle.«
    Also ließ ich mir das Blut abnehmen, während ich quer auf den Stühlen im Empfangsbereich lag. Zweimal sagte Nell, es wäre jetzt genug, doch ich fühlte mich gar nicht so schlecht, deshalb bestand ich darauf, dass sie weitermachte. Beim dritten Mal war mir schwindlig, als ich den Kopf hob.
    »Jetzt ist es genug«, sagte ich.
    »Gut«, antwortete sie. »Ich hätte sowieso gleich aufgehört.«
    Sie sorgte dafür, dass ich ein paar Saftpäckchen trank und einige trockene Kekse aß, und sagte, ich solle mich noch ein Weilchen in der Eingangshalle ausruhen. »Wenn du dich in den nächsten ein, zwei Tagen irgendwie nicht wohl fühlst«, ermahnte sie mich, »dann komm sofort hierher. Ohne zu zögern.«
    Dann eilte sie davon, um die Behandlung vorzubereiten.
    Ich weiß genau, dass sie das mit der Transfusion nur macht, weil sie glaubt, Meredith würde sowieso sterben. Doch das Warum spielt keine Rolle. Ich bin bloß froh, dass sie einverstanden war.
    Die Sonne war schon fast untergegangen, als ich das Krankenhaus verließ. Ich hörte Gavs Schritte, noch bevor ich ihn sehen konnte. Er schlängelte sich durch die Autoreihen, welche die Straßen rund um das Krankenhaus versperrten. Ich wartete auf der Treppe. Als er mich sah, blieb er stehen. Im Licht der Dämmerung glänzten seine Augen ganz dunkel.
    »Kaelyn!«, rief er und klang besorgt und erleichtert zugleich. »Ich hab den ganzen Nachmittag nach dir gesucht.«
    Er machte eine Bewegung, als wolle er direkt auf mich zurennen, aber dann schien er sich zusammenzureißen. Ich dachte an das letzte Mal, als wir miteinander gesprochen hatten. Als ich ihm sagte, er solle sich von mir fernhalten. In diesem Augenblick kam mir das fast genauso albern vor wie das, was ich auf der Klippe vorgehabt hatte.
    Ich streckte die Hand aus. Und da rannte er los.
    Er schlang die Arme um mich, küsste mich heftig und zog mich immer näher an sich, so dass mein Kopf an seiner Schulter lag und sein Kinn an meinem Ohr.
    »Wo warst du?«, fragte er. »Ich war bei euch zu Hause, und im Krankenhaus habe ich auch überall gesucht. Dann bin ich durch die Stadt gefahren, und gerade wollte ich wieder von vorne anfangen.«
    »Ich hab bloß einen Spaziergang gemacht«, antwortete ich. »Ich musste nachdenken.«
    Doch an der Stelle aufzuhören kam mir irgendwie unehrlich vor. So viel zu verschweigen war schon eher Lügen als Weglassen. Was hatte Mom mir vor so langer Zeit vorgeworfen? Ich würde sie ausschließen, sie nicht an mich heranlassen. Weil ich immer alles, was ich durchmachte, für mich behielt.
    Als ich daran dachte, hatte ich plötzlich einen Kloß im Hals. Ich zwang mich, ihn herunterzuschlucken. »Es war nicht leicht«, sagte ich leise. »Ich habe wirklich große Angst.«
    »Ich auch«, antwortete er und lachte irgendwie gequält. »Ich habe andauernd Angst. Jetzt, wo ich weiß, dass es dir gutgeht, allerdings ein bisschen weniger.«
    Er lehnte sich zurück. »Sie haben mir das von deinem Dad erzählt«, sagte er. »Was ihm zugestoßen ist. Ich werde hingehen und diesen Idioten mit ihren Knarren und ihrem Benzin sagen, wie bescheuert sie sind, und wenn sie nicht wollen …«
    »Gav«, unterbrach ich seinen Redeschwall. Ich krallte meine Finger in seinen Mantel. Die ganze Verzweiflung, die von mir abgefallen war, als ich die Klippe verließ, begann wieder in mir aufzusteigen. Ich musste dem ein Ende setzen.
    »Nicht«, sagte ich. »Ich weiß, dass du gerne ein Held sein willst. Und wenn es das ist, was du für die Stadt tun musst, dann meinetwegen. Aber ich will nicht, dass du es für mich tust.«
    »Das hat mit Heldenhaftigkeit nichts zu tun«, antwortete er. »Sie haben ihn umgebracht. Sie haben dir schlimmere Schmerzen zugefügt, als
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