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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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blasse Gesicht seines Sohnes. Die Augen waren groß und gläsern, ohne Erkennen. Der Arm war dick verbunden. Über der schmalen Kinderbrust lag ein elastischer Verband. Kalter Schweiß bedeckte die Stirn des Jungen.
    Starr blickte der Vater auf das Bett. Er hielt sich an der weißen Spannwand fest und biß die Lippen aufeinander. Blut tropfte von seinen Lippen, in die sich die Zähne eingruben. Das ist mein Kind, schrie es in ihm. Gezeichnet – ein lebloses Bündel, das mühsam atmet …
    Er wandte sich ab, schwankte aus dem Zimmer und fiel auf dem Gang in einen Rohrsessel. Dr. Paul Sacher stand jetzt neben ihm und sah ihn voller Mitgefühl an.
    »Es sieht schlimmer aus, als es ist«, sagte er leise und tröstend. »Die Gehirnerschütterung und die Quetschung sind von sekundärer Bedeutung. Mir macht vor allem der Aderriß Sorge. Jeder Kranke mit einer Gehirnerschütterung schläft unruhig. Und der Arm muß jetzt ganz ruhig liegen, sonst platzt die Ader von neuem auf. Wir müssen Tag und Nacht eine Wache zu Ihrem Sohn setzen.«
    »Diese Nacht werde ich selbst dasein«, sagte der Bankier und richtete sich auf. In seinen Augen war etwas mehr Mut. »Sagen Sie ehrlich, Herr Doktor, kommt mein Sohn durch?«
    »Aber sicher! Es war gut, daß zufällig ein Kollege an der Unfallstelle war und den Arm sofort abgebunden hat. Sonst –«, er stockte, »ich will ehrlich sein – sonst lebte Ihr Sohn bestimmt nicht mehr.«
    »Wissen Sie die Adresse dieses Arztes?« Wolf von Barthey sah Dr. Sacher an und zog ein Notizbuch hervor. »Ich möchte diesem Herrn sehr gern meinen Dank aussprechen. Er hat nicht nur das Leben unseres Sohnes gerettet …«
    »Der Kollege ist vielleicht sogar noch im Haus. Es ist Dr. Peter Perthes vom Tropeninstitut. Ich will versuchen, ihn zu erreichen.«
    Eine schmale junge Frau kam den Gang entlang und grüßte. Dr. Sacher winkte sie heran. »Beste Kollegin, darf ich Sie mit dem Vater Ihres jungen Patienten bekannt machen: Herr von Barthey.« Und zu dem Bankier gewandt: »Das ist Dr. Angela Bender, die Ihren Sohn einlieferte und als erste betreute.«
    Wolf von Barthey gab Angela Bender die Hand. »Ich stehe immer in Ihrer Schuld«, sagte er leise. »Darf ich Sie und Ihren Kollegen, der meinen Sohn rettete, in den nächsten Tagen als meine Gäste begrüßen?«
    »Ein Kollege?« Die Ärztin schaute den Bankier verblüfft an. »Meinen Sie den Herrn, der Ihrem Sohn mit einem Hosengürtel den Arm abband?«
    »Ja, ein Dr. Perthes.«
    »Wer?«
    Der Bankier wurde ein wenig verwirrt und sah sich um, als brauche er die Hilfe des davongegangenen Dr. Sacher.
    »Sollten Sie gar nicht wissen, daß der Herr ein Kollege von Ihnen war? Dr. Perthes vom Tropeninstitut, wie mir Dr. Sacher sagte.«
    »Ach!« Angela Bender blickte zu Boden. Etwas verlegen spielte sie an den Knöpfen ihres weißen Kittels. Lazarett, dachte sie. Ein Kamerad von ihm hatte einen Armstumpf … Hände, die nicht nach Arbeit aussehen … Wie habe ich mich da blamiert! Und er hat es ausgekostet, hat mich bei dem Irrtum gelassen und sich noch diebisch darüber gefreut! Dr. Peter Perthes. Sie hatte den Namen schon manchmal in den medizinischen Wochenschriften gelesen, wenn die Rede von toxikologischen Erfahrungen war.
    Ohne zu wissen warum, wurde Angela Bender plötzlich rot und wandte sich ab.
    »Bleiben Sie noch ein wenig, Herr von Barthey?« fragte sie dann. »Ich will noch einmal nach Ihrem Jungen sehen.«
    Sie verschwand in dem Krankenzimmer und setzte sich aufatmend an das Bett des Jungen. Er hatte die Augen wieder geschlossen, aber sein Atem ging jetzt regelmäßiger und tiefer. Er schlief.
    Sie beugte sich über ihn und horchte mit dem Stethoskop die Herztöne ab. So überhörte sie, daß hinter ihr die Tür leise ins Schloß gedrückt wurde und jemand den Raum betrat. Erst als sie sich wieder aufrichtete, fühlte sie instinktiv, daß sie nicht mehr allein in dem Krankenzimmer war. Erschreckt fuhr sie herum. Hinter ihr stand, in einem langen weißen Arztkittel und weißen Klinikhosen, Dr. Peter Perthes.
    »Guten Abend, Kollegin«, sagte er. »Herztöne in Ordnung?«
    Angela Bender strich sich die Haare aus der Stirn. Die Bewegung ihres Kopfes wirkte kämpferisch.
    »Ja«, antwortete sie schroff. »Verstehen Sie neben Giftmischen und Frauen zu ärgern auch noch etwas von internistischer Medizin?«
    »Soweit sie sich auf Adernabklammern beschränkt, bestimmt!« Er trat näher und reichte ihr die Hand, die sie übersah. »Böse?«
    »Ja.«
    »Weil
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