Wir sind doch Schwestern
der Hubschrauber spannender war. Katty war ebenso erstaunt wie der Rest des Dorfes. Sie hatte sich gar nicht die Frage gestellt, wie der Minister denn wohl anreisen würde, da sie selbstverständlich von einem Auto ausgegangen war. Aber das war viel besser. Sie vollführte innerlich einen Freudensprung. Ein echter Minister, der mit einem Hubschrauber gekommen war, das war unfassbar für die bodenständigen Niederrheiner. Was für ein Kerl, würden die Menschen denken, der diesen Draht nach ganz oben hatte. Sie war noch völlig benommen vor Stolz, als sich Heinrich Hegmann und Heinrich Lübke ihr näherten und sie sah, wie der Landwirtschaftsminister sich suchend umblickte.
»Wo ist denn der Jubilar?«, fragte er, als er eine einsame ältere Dame fein herausgeputzt am Rande der Wiese stehen sah und ganz richtig geschlossen hatte, dass das die Ehefrau des Knechts war. Heinrich Hegmann hatte Anna Zumkley dort platziert, und sie hatte sich nicht vom Fleck gerührt, genauso wie ihr Ehemann, der in einem Ohrensessel im Kaminzimmer saß und vermutlich ebenfalls darauf hoffte, irgendwann wieder befreit zu werden.
»Ach herrje«, entfuhr es in diesem Moment den Journalisten vom Rundfunk, und sie liefen zurück ins Wohnzimmer.
»Guten Tag, verehrter Herr Minister Lübke«, wandte sich Katty jetzt an den Ehrengast und machte vor Verlegenheit einen unangemessen tiefen Knicks. »Der Jubilar wartet im Haus. Ich werde schnell vorauseilen.« Heinrich blickte sie missbilligend an. Er hatte erwartet, dass der Empfang besser organisiert wäre. Sie eilte ins Wohnzimmer und verkündete: »Wir werden das Interview verschieben müssen. Es gibt jetzt erst die Suppe.«
Die Radiomitarbeiter waren gezwungenermaßen einverstanden, sie befreiten Theodor Zumkley aus seiner misslichen Lage und schickten ihn ins Esszimmer.
Kaum saß er, wurde auch schon aufgetragen. Eines der Mädchen ließ eine Suppentasse fallen, aber der Minister nahm es mit Humor. Und als er danach seine Ansprache hielt, wäre Katty ihm am liebsten um den Hals gefallen. Eine solch enge Bindung an Hof und Mensch sehe man immer seltener, war da zu hören. Ein sechzigjähriges Dienstjubiläum stehe für eine besondere Treue, zu der er sowohl den Jubilar und seine Gattin als auch den Hausherrn Heinrich Hegmann beglückwünsche. Das Beispiel der Zumkleys brauche Nachahmung, gerade in einer Zeit, da sich die Bindungen der Menschen untereinander immer mehr lockerten. Dann überreichte er dem Jubilar eine bronzene Medaille des Landes Nordrhein-Westfalen. Mit ähnlichen Worten schloss sich der Präsident der Landwirtschaftskammer an und überreichte eine große Urkunde. Katty war selig. Ein Mann, der die Treue seiner Angestellten zum Hof so wichtig nahm, dem würden sicher auch die Richter in Kleve nachsehen, dass er seine treue Hauswirtschafterin nicht einfach auf die Straße setzen konnte. Und einen Mann, zu dem sogar der Landwirtschaftsminister höchstpersönlich geflogen kam, den würden die Bauern weiterhin wählen. Dieser Tag war ein Triumph.
Nach dem Essen fand das Interview doch noch statt, Theodor Zumkley brachte ausreichend freundliche Sätze zustande, und der Fotograf vom Boten für Stadt und Land machte mehrere schöne Fotos. Eins von Heinrich im Gespräch mit dem Minister, ein paar von Heinrich und seinem Knecht, und schließlich hatte Katty im Garten alle Hausangestellten versammelt. Das Jubelpaar saß in der Mitte, eingerahmt von Katty auf der einen und Heinrich auf der anderen Seite, die restlichen Angestellten hatten sich rundherum aufgestellt.
Als alle Gäste am Nachmittag verschwunden waren und das Gröbste wieder aufgeräumt war, legte Katty sich hin, sie war hundemüde und schlief sofort ein.
Als sie erwachte, saß Gertrud an ihrem Bett.
»Ich wollte mich verabschieden. Der Fahrer bringt mich zurück nach Duisburg.«
»Oh, wie lange habe ich denn geschlafen?«
»Es ist halb fünf.«
»Komm, lass uns noch schnell Kaffee trinken, so viel Zeit ist doch.«
Zum Kaffee musste man Gertrud nie lange überreden. Sie zögerte nur einen kurzen Moment, dann willigte sie ein. Katty beeilte sich, sie zog den Rock vom Mittag noch einmal an und dazu eine etwas weniger feine Bluse. Auf der Treppe nach unten fragte sie sich, was Gertrud wohl auf dem Herzen hatte. Irgendetwas war da, das konnte Katty fühlen.
Als sie sich ins Wohnzimmer setzten, gesellte sich ein gut gelaunter Heinrich dazu. »Ein wunderbarer Tag, nicht wahr, Gertrud.«
»Das habt ihr sehr gut gemacht,
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