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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern
Autoren: Anne Gesthuysen
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schließlich, ein wenig schwankend, auch die Jubilarin. Gertrud prostete der versammelten Mannschaft zu. Sie lächelte einen Moment lang verschmitzt in die Runde und sagte dann, zu Katty gewandt:
    »Gut, dass ich noch nicht so alt bin. Sonst hätte Katty so lange gesprochen, dass das Essen kalt geworden wäre. Ich werde mich kurz fassen, zumindest in diesem Jahr. Und so sage ich es voller Optimismus: Kommt ruhig nächstes Jahr wieder!«

Epilog
     
    Die Gäste kamen noch einige Male wieder, um Gertruds Geburtstag zu feiern, genau genommen vier Mal.
    Mit einhundertvier Jahren starb Gertrud auf dem Tellemannshof in den Armen ihrer Schwester Katty. Ihr Geist war bis zu ihren letzten Stunden wach und klar.
    Was dann passierte, war für die gesamte Verwandtschaft ein schwerer Schlag. Kurz nach Gertruds Tod wurde in Kattys Brust ein Tumor gefunden. Die Ärzte sagten, man solle sich deswegen keine Sorgen machen, Brustkrebs sei im hohen Alter selten aggressiv. Sie hatten sich vertan.
    Katty war neunzig, als sie starb, und die Familie fragte sich: Warum? Sie war doch noch so jung.
    Paula verheimlichte man Kattys Tod zunächst, ihre Familie hatte Sorge, durch diese Nachricht könnte sie den Lebensmut verlieren. Und so war es dann auch. Als sie vom Ableben ihrer kleinen Schwester erfuhr, verabschiedete sie sich ebenfalls. Paula wurde fast einhundertfünf Jahre alt, und sie hat sicher einen seltenen Rekord erreicht: Sie hat drei verschiedene Jahrhunderte erlebt. Geboren im 19., gelebt, geliebt, gelacht und gelitten im 20. und gestorben erst im 21. Jahrhundert.

    In der Familie tröstete man sich, Gertrud habe ihre Schwestern nachgeholt, sie habe sich da oben gelangweilt. Und so teilen sich die drei vermutlich eine Wolke und reden über ihre Lieben und das Leben. Und falls Josélein bei ihren Schwägerinnen zu Besuch ist, kloppen sie Karten.

Nachwort
Meine Tanten und ich
    Es heißt, Heinrich Hegmann habe mich auf seinen Knien sitzen lassen. Das war in der Familie so etwas wie ein Ritterschlag. Ich dürfte damals nicht viel davon mitbekommen haben, da ich nur wenige Wochen alt war. Der namhafte Politiker starb etwa ein halbes Jahr nach meiner Geburt, wobei das eine mit dem anderen definitiv nichts zu tun hatte.
    Heinrich Hegmann ist für mich und für die ganze Familie bis heute eine Legende, und für uns Kinder war er der »Mann von Tante Katty«. Wir sahen regelmäßig sein überlebensgroßes Porträt in Kattys Büro hängen und hörten sie von ihm schwärmen.
    Katty ist meine Großtante, die Tante meiner Mutter, und in dem gleichen familiären Verhältnis stehe ich entsprechend auch zu Paula und Gertrud. Die drei waren der Mittelpunkt der Familie. Auf dem Tellemannshof haben wir jedes Jahr den zweiten Weihnachtstag verbracht, Tante Gertrud mussten wir unser Zeugnis zeigen und waren heilfroh, wenn wir mit einem 50-Pfennig-Stück statt einer Mahnung nach Hause gehen durften. Und Paulas ploppendes Lachen habe ich immer noch im Ohr.
    Die drei haben faszinierende, schwierige und vor allem lange Leben gelebt, die mich inspiriert haben, dieses Buch zuschreiben. Das meiste darin geht zurück auf das, was man sich – zum Teil hinter vorgehaltener Hand – in der Familie erzählte, dabei ist es durchaus möglich, dass die eine oder andere Geschichte von Jahr zu Jahr brisanter wurde.
    Dieser Roman ist also kein Dokument der Wahrheit, wohl aber ein wahrhaftiges Dokument der Familiengeschichten.
    Vor fünf Jahren bin ich in den Besitz des Aktenordners »Hegmann gegen Hegmann« gelangt.
    Mein Vater hatte ihn kurz nach Kattys Tod mit dem Hinweis überreicht bekommen, Tante Katty habe verfügt, man möge ihn nicht lesen, sondern verbrennen. Auch er ignorierte den Befehl, wie alle anderen zuvor, und so ist der Ordner schließlich bei mir gelandet: Klageschrift, Zeugenaussagen, Anwaltskorrespondenz und handschriftliche Notizen von Heinrich Hegmann – fein säuberlich abgeheftet, sodass er sogar die nächste Generation noch überstehen dürfte und als Dokument einer Zeit und ihrer Geschichte erhalten bleibt. Ich werde ihn jedenfalls auch nicht ins Feuer werfen.
    Würden Katty, Gertrud und Paula akzeptieren, dass ich sie zu Vorbildern für meine Romanfiguren gemacht habe? Ehrlich gesagt habe ich mir diese Frage immer wieder gestellt und habe für mich eine Antwort gefunden: ja. Aber sie hätten bestimmt ihre eigene Version niederschreiben wollen. Tja, in guter Familientradition werden wir das wohl in Gedanken noch ausdiskutieren müssen, meine
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