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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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zwischendurch helfen.«
    »Ja, mach dat. Du kanns ja woll schlau daherprote.«
    Katty lachte und nahm den Knecht in den Arm. Über diese Geste freute er sich sichtlich. Dann begleitete sie ihn ins Wohnzimmer. Auf der Schwelle streifte er sich artig die Schuhe ab, obwohl er damit noch keinen Schritt vor die Tür gesetzt hatte, sie waren blitzsauber. Aber der Knecht trug sonst nur Stiefel und es irritierte ihn offensichtlich, so leichte Füße zu haben. Seine Schritte waren an diesem Tag unangemessen groß, und er stapfte unsicher von einem Raum in den nächsten.
    Katty führte ihn zu dem gemütlichen Ohrensessel. Die Leute vom Rundfunk begrüßten Theodor Zumkley sehr höflich und gratulierten ihm zu seinem Jubiläum. Als er Platz genommen hatte, stellten sie einen großen Kasten vor seinen linken Fuß. Zu seiner Rechten schlängelten sich meterweise Kabel, und vor seiner Nase stand ein schwerer Ständer, an dem die Männer ein Mikrofon befestigten.
    »Können Sie bitte dort hineinsprechen?«, fragte einer der Techniker.
    Theodor Zumkley sah Katty hilflos an.
    »Wie mach ich dat denn?«
    Katty übersetzte: »Die Herren meinen, du sollst einfach in dieses Dingen reinsprechen, stell dir vor, das wäre ein Ohr. Also einfach in die Richtung reden. So war das gemeint.«
    »Genau, entschuldigen Sie. Wir sollten Ihnen erklären, waswir hier tun. Wir nehmen jetzt als Erstes eine Tonprobe. Bitte schön, Herr Zumkley.« Der Techniker vom NWDR hatte es gut gemeint, aber natürlich hatte der Knecht keine Ahnung, was eine Tonprobe sein könnte. Er sank in sich zusammen. Katty munterte ihn auf. Er tat ihr leid und sie schämte sich, weil sie ihn an seinem Ehrentag so hoffnungslos überforderte.
    »Theodor, einfach da vor die Kugel klopfen, das ist alles.« Theodor Zumkley ballte eine Faust und klopfte gegen das Mikrofon wie gegen eine Holztür. Der Techniker riss sich die Kopfhörer vom Ohr und verzog vor Schmerz das Gesicht.
    »Vielen Dank«, sagte er gequält.
    »Dann können wir ja jetzt loslegen«, mischte sich nun der dritte Kollege ein. Ein Mann, den Katty auf Mitte fünfzig schätzte. Er würde die Fragen stellen.
    »Herr Zumkley«, begann der Redakteur, dann hörte man von draußen einen ohrenbetäubenden Lärm.
    »Was ist denn da los?«, fragte er, als auch schon Kattys Nichte aufgeregt hereingerannt kam.
    »Er kommt angeflogen, Tante Katty, der kommt geflogen. Das musst du dir ansehen.« Und schon rannte sie wie ein flatterndes Huhn an der Radiomannschaft und dem Jubilar vorbei wieder hinaus. Katty und der Redakteur sahen sich an und liefen hinterher. Auch die beiden Techniker konnten ihre Neugier nicht bremsen und wollten sich das Schauspiel nicht entgehen lassen. Und so blieb der arme Theodor Zumkley allein übrig, eingemauert zwischen Kabel, Mikrofon und Aufnahmegerät.
    Als die Mitarbeiter des NWDR und Katty auf der Wiese ankamen, war der Hubschrauber bereits im Landeanflug. Der große Augenblick war gekommen.
    Seit elf Uhr vormittags stand das Wardter Spielmannskorps bereit, der Bürgermeister hatte tagelang eine von Heinrich vorformulierte Ansprache geübt und alle warfen den Kopf in den Nacken. Die Nachbarjungs stürmten herbei und kreischten vor Freude, ihre Mütter riefen ihnen noch ein skeptisches »Seid um Himmels willen vorsichtig« hinterher, und dann setzte die Höllenmaschine auch schon zur Landung an. Einigen Frauen wehten die Hüte vom Kopf, Heinz Ackermanns Haarschopf, der normalerweise von einem Ohr über den Kopf bis zum anderen Ohr gekämmt war, klappte bedrohlich nach links weg, Heinrich, der schon lange keine Haare mehr hatte, hielt sich den Arm vor die Augen, um sie vor dem aufwirbelnden Staub zu schützen. Katty überlegte gerade, ob es gut oder schlecht war, dass die Kuhfladen auf der Wiese noch nicht ganz getrocknet waren, als die Kufen des Hubschraubers sich bereits in den Matsch drückten. Heinrich Lübke stieg aus und umging mit geschickten Trippelschritten jede der wiedergekäuten Tretminen, die in großer Zahl über die Wiese verteilt waren. Der Minister ging auf Heinrich zu und begrüßte ihn innig, indem er ihm beide Hände entgegenstreckte.
    »Wie schön, Sie hier besuchen zu dürfen, lieber Herr Hegmann. Wie lange arbeiten wir jetzt zusammen? Seit zwanzig Jahren? Und es ist mir nach wie vor eine Ehre. Ich denke immer noch mit großer Freude an unsere gemeinsame Zeit im Preußischen Landtag«, erklärte er den staunenden Anwesenden, die gar nicht wussten, ob nun der Herr Minister oder

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