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Wir lassen sie verhungern

Wir lassen sie verhungern

Titel: Wir lassen sie verhungern
Autoren: Ziegler Jean
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geteilt wird, ist die Bedrohung allgegenwärtig.
    90 Prozent der Bauern im Süden müssen sich bei der Arbeit mit Hacke, Machete und Sense begnügen.
    Mehr als eine Milliarde Bauern haben weder Zugtier noch Traktor.
    Mit der Verdoppelung der Zugkraft verdoppelt sich auch die bebaute Fläche. Ohne zusätzliche Zugkraft können sich die Ackerbauern des Südens nicht aus ihrem Elend befreien.
    Im Sahel liefert ein Hektar Anbaufläche 600 bis 700 Kilogramm Getreide. In der Bretagne, in der Beauce, in Baden-Württemberg, in der Lombardei lässt sich auf einem Hektar ein Ertrag von 10 Tonnen, also 10000 Kilogramm, erzielen. Dieses Produktivitätsgefälle resultiert natürlich nicht aus unterschiedlichen Fähigkeiten. Die Landwirte der Bambara, Wolof, Mossi oder Tukulur verrichten ihre Arbeit mit der gleichen Energie und Intelligenz wie ihre europäischen Kollegen. Sie unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der sogenannten Inputfaktoren, über die sie verfügen. In Benin, Burkina Faso, Niger oder Mali müssen die Ackerbauern ohne Bewässerungssystem auskommen, auch mineralischen Dünger, selektioniertes Saatgut oder Pestizide gegen Schädlinge können sie nicht einsetzen. Wie seit 3000 Jahren müssen sie sich mit der Regenwirtschaft begnügen.
    Nur 3,8 Prozent des subsahelischen Bodens werden künstlich bewässert. 23
    Nach Schätzung der FAO haben 500 Millionen afrikanische Bauern keinen Zugang zu selektioniertem Saatgut, mineralischem Dünger, Stallmist (oder anderem Naturdünger), da sie keine Tiere besitzen.
    Weltweit werden laut FAO jedes Jahr 25 Prozent der Ernten durch ungünstige Witterungseinflüsse oder Nager vernichtet.
    In Schwarzafrika, Südasien und im Andenhochland sind Silos selten. Folglich sind die bäuerlichen Familien im Süden von der Vernichtung der Ernten zuerst und am härtesten betroffen.
    Ein weiteres großes Problem ist die Beförderung der Ernten zu den Märkten.
    2003 habe ich in Äthiopien eine absurde Situation erlebt: In Mek’ele in Tigray, auf den windgepeitschten Hochebenen, dort, wo der Boden rissig und staubig ist, bedrohte der Hunger das Leben von sieben Millionen Menschen.
    Doch in Gondar, 600 Kilometer weiter westlich, verdarben Zehntausende von Tonnen Teff, einer Hirseart, in den Speichern, weil es weder Straßen noch Lastwagen gab, die das rettende Nahrungsmittel hätten transportieren können …
    In Schwarzafrika, Indien, in den Aymara- und Otavalo-Gemeinschaften auf den Hochebenen Perus, Boliviens und Ecuadors gibt es natürlich keine landwirtschaftlichen Genossenschaftsbanken. Nur einheimische Wucherer geben Kredite. Daher hat der Bauer keine Wahl: In der Regel muss er seine Ernte zum ungünstigsten Zeitpunkt verkaufen, das heißt, wenn er sie gerade eingebracht hat und die Preise im Keller sind.
    Sobald er in die Überschuldungsspirale geraten ist – sich weiter verschulden muss, um die Zinsen früherer Kredite zu bezahlen –, ist er gezwungen, künftige Ernten zu veräußern, um die Lebensmittel, die seine Familie in der Überbrückungszeit braucht, zu dem von den Herren der Nahrungsmittelindustrie festgesetzten Preisen zu kaufen.
    Auf dem Land, vor allem in Mittel- und Südamerika, in Indien, Pakistan und Bangladesch, ist die Gewalt endemisch.
    Zusammen mit meinen Mitarbeitern habe ich vom 26. Januar bis 5. Februar 2005 eine Untersuchungsmission in Guatemala durchgeführt. 24 Während unseres Aufenthalts hatte mich Frank La Rue, Menschenrechtskommissar der guatemaltekischen Regierung und selbst ehemaliger Widerstandskämpfer gegen die Diktatur von General Rios Montt, über die Verbrechen unterrichtet, die in seinem Land Tag für Tag gegen Bauern begangen wurden.
    Am 23. Januar stiehlt ein Landarbeiter auf der Finca Alabama Grande etwas Obst. Drei Sicherheitskräfte der Finca ertappen ihn dabei und bringen ihn um.
    Die Familie, die wie alle Peonfamilien in einer Hütte am Rande des Gutes lebt, sorgt sich am Abend, als der Vater nicht zurückkehrt. Von Nachbarn begleitet begibt sich der vierzehnjährige Sohn zum Haus der Besitzer. Die Wachen fangen ihn ab. Es kommt zum Streit. Der Ton wird hitzig. Die Wachen schießen den Jungen und vier seiner Begleiter nieder.
    In einer anderen Finca fassen andere Wachen einen jungen Burschen, dessen Taschen mit Cozales , einer einheimischen Frucht, gefüllt sind. Sie beschuldigen ihn, sie auf dem Land des Besitzers gestohlen zu haben, und führen ihn zu diesem … der den Jungen mit einem Pistolenschuss tötet.
    Frank La Rue meinte zu
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