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»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
Autoren: Heather Poole
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heulte auf. »Los, da rüber an die Wand!«, schrie jemand. Ich weiß noch, dass ich mich umdrehte, um mich nach dem Übeltäter umzublicken, als ich feststellte, dass die Typen offenbar mich meinten.
    »Ich?«, fragte ich ungläubig. Völlig ausgeschlossen! Ich war Flugbegleiterin! Zum Beweis zeigte ich dem Beamten meinen Mitarbeiterausweis. Man hielt uns fest, während die Beamten systematisch unser Gepäck durchkämmten. Das war drei Jahre her. Seither war kein Tag vergangen, an dem ich nicht an Brent dachte.
    Die alte Dame mit der dunklen Sonnenbrille tätschelte meine Hand. »Ach, Herzchen, er war es nicht wert. Ohne ihn sind Sie besser dran.«
    Ich nickte, obwohl sie mich nicht sehen konnte – zumindest nicht in Farbe. Was das anging, konnte ich ihr nur zustimmen. »Danke«, sagte ich und kämpfte mit den Tränen. Meine Wimperntusche war nicht wasserfest, und ich wollte nicht noch vor dem Abflug mein Make-up auffrischen müssen.
    »Bereit fürs Boarding?«, rief der Gate-Mitarbeiter, der noch immer zwischen Cockpit und First Class stand.
    »Gleich!«, rief ich zurück, zwängte mich zwischen die Trennwand und die letzte Sitzreihe der First Class und griff zwischen den Sitzen nach der Hand der alten Frau. »Erzählen Sie mir mehr. Wie sieht meine Zukunft aus? Können Sie mir etwas darüber sagen?«
    »Die ist allerdings sehr interessant, meine Liebe«, erwiderte sie und beugte sich zu mir. »Die meisten Menschen fürchten sich vor der Wahrheit. Vor dem, was auf sie zukommt. Aber weshalb? Die Wahrheit ist doch alles, was wir haben.« Ich sah mein verzerrtes Spiegelbild in ihren dunklen Brillengläsern und nickte eifrig. »Hören Sie jetzt genau zu. Ich hatte das Glück, die Hand von vielen berühmten Menschen zu halten. Was sie von all den anderen unterscheidet, ist ihre Lebenskraft, ihre Entschlossenheit. Und genau diese Lebenskraft spüre ich auch, wenn ich Ihre Hand halte. Sie sind ein sehr kreativer Mensch. Sie werden in Ihrem Leben noch wundervolle Dinge erschaffen.« Sie tätschelte meine Hand. »Sie haben eine Botschaft. Ihr Name wird einmal in aller Munde sein.«
    »Ich schicke jetzt die Passagiere runter«, rief der Flugsteigmitarbeiter, der sich nicht die Mühe gemacht hatte, auf meine Antwort zu warten.
    »Okay«, rief ich zurück.
    Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Wovon um alles in der Welt redete diese Frau? Vielleicht war sie ja doch nur eine verrückte, alte, juwelenbehängte Lady mit einer teuren Designer-Reisetasche. Aber dann fiel der Groschen. Mein Herz begann zu hämmern.
    »Ich bin Schauspielerin! Na ja, bisher habe ich erst ein paar Stunden …«
    »Nein. Das ist es nicht.«
    Die ersten Passagiere kamen an Bord. Ich versuchte, vor ihr in die Hocke zu gehen, damit sie mich sehen konnte. »Aber das muss es sein. Ich nehme Schauspielunterricht.«
    »Wie ich schon sagte, das ist es nicht.«
    »Aber ich hatte Riesenglück. Erst letzte Woche durfte ich in einem Film einen ganzen Satz sagen.«
    »Sie sind Schriftstellerin. Ein TicTac?« Sie schüttelte die kleine Plastikdose.
    Schriftstellerin? Ich hielt ihr die Hand hin und sie ließ ein paar Pfefferminzkügelchen hineinfallen. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe kein schriftstellerisches Talent.«
    Sie zeigte mit ihrem arthritischen Finger auf mich. »Das liegt nicht in Ihrer Hand. Nicht Sie entscheiden, wie gut Sie sind, sondern der Rest der Welt.«
    Eine Sache aber musste ich noch wissen, bevor ich die anderen Fluggäste an Bord willkommen hieß. Etwas wirklich Wichtiges. »Und was ist mit der großen Liebe? Werde ich sie finden?«
    In diesem Moment trat ein Passagier neben mich. »Könnten Sie mir meinen Mantel abnehmen, Miss?«, fragte er.
    Ich lächelte ihn an. »Ich bin sofort bei Ihnen«, sagte ich und wandte mich wieder der alten Dame zu. »Wann? Diesen Monat? Dieses Jahr?«
    Sie nahm meine Hände und drückte sie. »Ich sehe eine Verlobung drei Monate nach Silvester.«
    Drei Monate nach Silvester? Aber das war ja schon bald! Je früher, umso besser, dachte ich. Eilig rechnete ich nach und schnappte nach Luft. Acht Monate. Ich rechnete noch einmal nach, nur um ganz sicher zu sein. Es waren tatsächlich noch acht Monate. Der UN -Typ. Es musste der Mann sein, der bei den Vereinten Nationen arbeitete. Ich hatte ihn gerade erst im Internet kennengelernt. Wir waren zweimal miteinander ausgegangen, und ich mochte ihn sehr gern.
    »Nur die Ruhe, Schätzchen. Die größten Liebesgeschichten entstehen immer aus einer tiefen
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