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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel
Autoren: Heinz Hendrix
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herrliche alte Brücke über den Arga. Der
Volksmund nennt diese Brücke von Zubiri auch Puente de la Rabia, Brücke der
Tollwut. Man glaubte nämlich, von der Tollwut befallene Tiere würden geheilt,
wenn sie die Brücke drei Mal überquerten. Unsere junge Pilgerin geleiteten wir
bis zur Albergue. Wir ließen uns einen Stempel in unserem Pilgerpass geben
starteten noch einmal durch. Weitere 6,5 km wollten wir noch schaffen. Es
machte uns beiden sehr großen Spaß. Es war fast wie eine Sucht. Wir wollten so
lange es uns gut geht, so weit wie möglich gehen. Ich werde fein aufpassen
müssen, meine Mitpilgerin nicht zu überfordern. Manchmal habe ich den Eindruck,
dass sie über meine Planungen und Sorgen lächelt. Sie ist 14 Jahre jünger als
ich und hat bestimmt mehr Reserven. Wir gingen bis Larrasoaña. Bei 962
Höhenmeter waren wir in Roncesvalles gestartet und kamen hier bei 499
Höhenmeter an. Es waren harte erkämpfte Kilometer. Zu oft ging es rauf und
runter. Wir mussten dabei ein großes Aluminiumwerk umgehen. Die ganze Luft war
voll mit weißem Staub. Viele Wege, welche wir gingen, waren Werksgelände und
ich wusste nicht, ob wir noch richtig auf dem Pilgerweg waren. Helga wurde
immer schneller und war bald nicht mehr zu sehen. Angekommen im Ort habe ich
sie gesucht und nicht gefunden. Im Touristenbüro buchte ich für uns zwei Betten
in der Gemeindealbergue. Die junge Dame führte mich zur Albergue. Sie hatte 28
Betten und machte einen heruntergekommenen Eindruck. Es war eine
Billigbauweise, gleich einer Scheune. Im Erdgeschoss zwei Duschen und
Toiletten, davor zwei Stockbetten. Das Obergeschoss war total mit Stockbetten
vollgestellt. Was will man für 6,00 Euro auch groß erwarten? Leider hatte ich
nicht Helgas Credencial (Pilgerausweis) mit und ihr Bett war dadurch noch nicht
fest gebucht. Leider waren nur noch sehr wenige obere Betten frei. Zwei habe
ich sofort mit meinem Gepäck belegt. Wer zu spät kommt, dem bestraft eben das
Leben. So musste auch ich zur Nacht über eine kleine Leiter ins Bett klettern.
Voller Sorge ging ich zum Ortsanfang zurück und fragte andere Pilger, ob sie
Helga nicht gesehen hätten. Es waren bestimmt schon 45 Minuten vergangen. Plötzlich
sah ich sie auf dem Pilgerweg kommen. Ich war froh, sie wieder gefunden zu
haben. In der Dorfmitte gab es ein gemütliches Restaurant. Viele Pilger saßen
bei herrlichem Sonnenschein draußen und waren guter Dinge. Wir fanden noch
einen freien Tisch, tranken uns ein kühles Bier und bestellten bei der Wirtin
für 19:00 Uhr unser Pilgermenü für 11,00 Euro. Ein junger Mann aus den neuen
Bundesländern saß mit einer Gruppe Pilger am Nebentisch und fiel uns sofort
unangenehm auf. Da er den Camino Francés schon einmal gegangen war, gab er sehr
lautstark sein Wissen preis. Er ließ keinem zu Wort kommen. Helgas erste
Reaktion, »hoffentlich sitzt der beim Abendessen nicht an unserem Tisch.« Wir
gingen ins Touristenbüro, wo Helga ihren Stempel bekam und somit berechtigt war
in der Albergue zu übernachten. Nun aber schnell zurück. Geduscht, Wäsche
gewaschen und umgeschaut wen wir schon von unseren Wegen kannten. Ein freudiges
Wiedersehen gab es mit unseren beiden Pilgern aus Brasilien. Auch sie waren
hier abgestiegen und Helga machte sofort mit ihnen ihre Späße. Sie waren uns
von Anfang an sehr sympathisch gewesen. Viele spanische Pilger waren anwesend
und unterhielten sich sehr laut. Hoffentlich werden wir eine ruhige Nacht
bekommen? Beim Abendessen hatten wir Glück. Wir waren die Ersten und nahmen an
einem langen Tisch Platz. Der Kellner verteilte die Pilger nach Sprachen an den
Tischen, was ich sehr gut fand. Schnell füllte sich das Lokal und wir bekamen
unser Essen. Als Vorspeise Pasta, als Hauptgericht für uns eine große Schüssel
Gulasch mit Nudeln, von denen wir nichts übrig ließen und als Nachtisch Eis.
Dabei genossen wir zwei Flaschen Vino Rosé. Wer viel läuft muss auch gut essen!
Unser unangenehmer Altpilger war zum Glück nicht zum Essen gekommen. Alle Pilger
an unserem Tisch kamen aus Deutschland. Wir hatten uns hier gesucht und
gefunden. Es wurde ein herrlicher Abend, mit viel Gelächter. Fast hätten wir
vergessen, dass um 22:00 Uhr die Albergue zugeschlossen wird. Fast auf die
letzte Minute kamen wir zurück. Es wurde eine sehr unruhige Nacht. Die Luft war
sehr schlecht in dem Raum und es ließ sich kein Fenster öffnen. Auch lagen
einige sehr große Rhinozerosse in den Betten und erfreuten uns mit ihrem
schnarchen.
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