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Winter

Winter

Titel: Winter
Autoren: Hermann Hesse
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umfaßt, auf welchen nichts Dunkles war als die dünnen und frierenden Reihen kahler, nackter Pappelstämme. Und durch die Luft und durch den unendlichen Himmel schwärmte prahlend und schwelgerisch das ungeheure Licht, vonjedem Hügel und jeder Matte und jedem Stein im Schneeglanz zurückgeworfen und verdoppelt. Es flimmerte in ungebrochenen Wogen über weiße Flächen hin, glühte am Wald und an fernen Bergen in goldenen Rändern auf, zuckte in haarfeinen Blitzen diamanten- und regenbogenfarbig durch die Lüfte, ruhte satt und süß auf gelbem Schilf und in den grünen, jenseitigen Seebuchten aus und machte sogar alle Schatten mild, bläulich weich und wesenlos, als müßte heute an diesem Tage des Glanzes jeder letzte widerstrebende Flecken mit Helligkeit durchdrungen und gesättigt werden.
    An solchen Tagen ist es unmöglich, an ein Nachtwerden zu glauben, und wenn am Ende doch die Dämmerung sinkt, ist es wunderbar zu sehen, wie all der gleißend kühne Glast sich langsam hingibt, müde wird und eine Hülle sucht, obwohl nach diesen Tagen auch die Nächte selbst, wenn kein Mond scheint, niemals völlig dunkel werden. Und auch darum sind solche Schneetage so lang, weil der reine Winterhimmel und die Unbändigkeit des Lichtes uns klein und froh zu Kindern macht, so daß wir noch einmal die Erde im Glanz der Schöpfung sehen und noch einmal ohne Bewußtsein der Zeit wie Kinder hinleben, von jeder Stunde überrascht und keines Aufhörens gewärtig.
    (Aus: »Winterglanz«, 1905)
    // Bei uns liegt seit bald drei Wochen Schnee, er lag mehr als ein Meter hoch und ist noch immer da, wenn auch dünner, und Tag für Tag scheint die Sonne drauf. Unser Klima bewährt sich in diesen Wintermonaten. Es unterscheidet sich vom Norden nicht durch ein großes Plus an Wärme, aber durch ein großes Plus an Licht.
    (Aus einem Brief an Anni Rebenwurzel, 4. Februar 1933)
/ DIE BLUMEN SIND SO STUMM /
    Die Blumen sind so stumm und trübe,
Seit alle meine Knabenliebe
Und Glück und Jugend liegt im Grab.
Der Himmel weint, in weiter Ferne
Schimmern einsam blasse Sterne,
Und sinken bald ins Grau hinab.
    Sogar die Lieder sind gestorben,
Die goldnen Saiten sind verdorben
Vom ersten bösen Winterfrost;
Die Bäume schütteln leis die Wipfel
Über die dunkeln Bergesgipfel
Fegt rauh der eisige Nordost.
    Gesang und Lachen ist verklungen,
Das Haus, wo sie mir sonst gesungen,
Liegt lustlos da in tiefer Ruh,
Die schwarzen Bäume traurig wogen,
Die Nachtigall ist weggeflogen,
Nun brich, mein armes Herz, auch du!
    // Eines Morgens erwachte Goldmund bald nach Tagesanbruch in seinem Bett und blieb eine Weile nachsinnend liegen, Bilder aus einem Traum waren noch um ihn, doch ohne Zusammenhang. Er hatte von seiner Mutter geträumt und von Narziß, beide Gestalten konnte er noch deutlich sehen. Als er sich aus den Traumfäden befreit hatte, fiel ein besonderes Licht ihm auf, eine eigentümliche Art von Helligkeit, die heute durchs kleine Fensterloch hereinkam. Er sprang auf und lief zum Fenster, da sah er das Fenstergesims, das Dach des Pferdestalls, die Hofeinfahrt und die ganze Landschaft jenseits bläulichweiß schimmern, vom ersten Schnee dieses Winters bedeckt. Der Gegensatz zwischen der Unruhe seines Herzens und der stillen, ergebenen Winterwelt machte ihn betroffen: wie ruhig, wie rührend und fromm gaben sich Acker und Wald, Hügel und Heide der Sonne, dem Wind, dem Regen, der Dürre, dem Schnee hin, wie schön und sanft leidend trugen Ahorn und Esche ihre Winterlast!Konnte man nicht werden wie sie, konnte man nichts von ihnen lernen?
    (Aus: »Narziß und Goldmund«, 1927 / 29)
/ KLINGSOR AN EDITH /
    Heut spiel ich dir ein Lied
Auf gedämpfter Saite am Winterabend,
Ein Lied aus der grünen Zeit,
Da uns die Waldnacht zärtlich
Mit Liebeslaubgeflüster in sich sog.
Leise schleicht in der Dämmerung
Die vergessenen Pfade mein Lied,
Ach, die nie vergessenen,
Wo ich Klingsors heimliche Krone trug
Und im glühenden Julimond
Fromm den Göttern des Weins und der Liebe
    geopfert.
    Seid ihr alle denn tot, geliebte
Bilder jener verzauberten Zeit?
    Ja, ihr starbt, ihr welktet! Ich aber
Lebe, und wenn mir der nächste Sturm
Eure Asche vom Haupt und den Schleier vom
    Herzen reißt,
    Funkelt die Krone, glühn alle Sterne neu,
Und die schwellenden Wälder rufen
Meinen Namen und meine Liebe dir zu.
    // An einem Wintertage, da kein Unterricht war, zogen wir miteinander vor die Stadt hinaus, acht oder zehn junge Leute, darunter Liddy mit drei Freundinnen. Wir hatten
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