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Winter

Winter

Titel: Winter
Autoren: Hermann Hesse
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schöner ist und holder: im Geäst
Der kahlen Sträucher erster Amselschlag!
Das Herz wacht auf, die müde Welt genest,
Bald wird es blühn – nun komme, was da mag.
    // Erst gegen Ende Februar kamen jene hellen Wochen, die den Hochgebirgswinter so herrlich machen. Die hohen, beschneiten Bergschroffen standen klar gegen den kornblumenblauen Himmel und sahen in der durchsichtigen Luft unwahrscheinlich nahe aus. Matten und Halden lagen schneebedeckt – mit dem Schnee des Bergwinters, den man so weiß und kristallen und herbduftend in den Talländern niemals findet. Auf kleinen Erdschwellungen feiert in der Mittagszeit das Sonnenlicht glänzende Feste, in Mulden und an Abhängen liegen satte blaue Schatten, und die Luft ist nach wochenlangem Schneefall so ganz gereinigt, daß in der Sonne jeder Atemzug einGenuß ist. An den kleineren Halden frönt die Jugend der Schlittenfahrt, und in der Stunde nach Mittag sieht man alte Leutchen auf den Gassen stehen und sich an der Sonne gütlich tun, während nachts die Dachsparren im Froste krachen. Inmitten der weißen Schneefelder liegt still und blau der niemals gefrierende See, schöner als er je im Sommer sein kann.
    (Aus: »Peter Camenzind«, 1904)
/ SEETAL IM FEBRUAR /
    O dünne Sonnenluft im Februar!
Braun schleicht und gelb der fahle Strand dahin,
See starrt und Himmel glasig kühl und klar,
In Trauerzügen kahle Bäume ziehn.
Ach, graue Haare fand ich jüngst im Bart!
Alt wird und müd, was einst so hell gebrannt,
Zu Ende neigt, o Maler, deine Fahrt
Und führt durch Friedhofluft und Winterland.
    Doch leis im Nacken brennt die Sonne schon,
Die zärtlich mir vom künftigen Sommer singt:
Noch einmal schreite glühend und beschwingt
Durch einen Sommer, du verlorener Sohn!



// Die Zeit der großen Schneefälle ist vorüber, wir haben
    jetzt jene schönen klaren Tage, deren Längerwerden man schon deutlich spürt.
    Wieder steige ich im Morgenlicht durch den hohen Schnee hinan zwischen Hütten und obstbäumen, die allmählich selten werden und zurückbleiben. Streifen von Tannenwald züngeln über mir den mächtigen Berg hinan bis zur letzten Höhe, wo kein Baum mehr wächst und wo der stille, reine Schnee noch bis zum Sommer liegen wird, in den Mulden tief und sammetglatt verweht, über Felshängen in phantastischen Mänteln und Wächten hängend.
    Ich steige, den Rucksack und die Skier auf dem Rücken, in einem steilen Holzweg Schritt für Schritt bergan, der Weg ist glatt und manchmal eisig, und die stählerne Spitze meines Bambusstockes dringt knirschend und widerwillig ein. Ich werde im Gehen warm, und am Schnurrbart gefriert der Atem.
    Alles ist weiß und blau, die ganze Welt ist strahlend kaltweiß und strahlend kühlblau, und die Umrisse der Gipfel stechen hart und kalt in den fleckenlosen Glanzhimmel. Dann trete ich in beengend dichten, finsteren Nadelwald, die Skibretter streifen spärliche Schneereste von lautlosen Zweigen, es ist bitter kalt, ich muß abstellen und den Rock wieder anziehen.
    Überm Walde steile Schneehänge. Der Weg ist schmal undschlecht geworden. Ein paarmal breche ich bis zu den Hüften durch den Schnee. Eine launische Fuchsspur geht vom Walde her mit, jetzt rechts, jetzt links vom Pfad, macht eine feine spielerische Schleife und kehrt bergwärts um.
    Hier oben will ich Mittagsrast halten. Die letzte Hütte steht auf schmalem Weidebord, Tür und Fensterluken sorgfältig verschlossen, davor nach Süden eine kleine Ruhebank, drüben ein Brunnen, tief unterm Schnee mit dunkel glasigen Tönen läutend. Ich zünde Spiritus an, fülle Schnee in die Kochpfanne, taste im vollen Rucksack nach dem Teepaket. Die Sonne blitzt grell im weißen Aluminium, überm Kochapparat zittert die Luft in blasig quirlenden Formen von der Wärme, der versunkene Brunnen gurgelt schwach unterm Schnee, sonst keine Regung und kein Ton in der weiß und blauen Winterwelt.
    Rings um die Hütte, von dem vorstehenden Dach geschützt, läuft eine schneefreie Gasse, da liegen tannene Bretter, Stangen, Spaltklötze umher, sonderbar bloß und nackt mitten in der Schneeöde. Ruhe, tiefe Ruhe. Erschreckender Lärm für das verwaiste Gehör, wenn am Kocher ein Schneekorn verzischt, wenn von unten aus den spitzen Wipfeln ein Krähenschrei knarrt.
    Aber plötzlich – ich hatte halbwach im Sitzen geträumt, ungewiß, ob Minuten oder Viertelstunden – klingt ein unendlich schwacher, unendlich zärtlich-weicher Ton,seltsam befremdend, zauberlösend, in mein ohr. Unmöglich, ihn zu deuten,
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