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Winter

Winter

Titel: Winter
Autoren: Hermann Hesse
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Ist noch dies neue Jahr bestellt,
Doch was drin Neues wachsen mag,
Ist schon gesäet Jahr und Tag.
/ FEBRUAR /
    Wenn du einen Kater hast,
Wird er nachts im Speicher singen;
Wenn du eine Katze hast,
Wird sie bald dir Junge bringen.
/ WINTER IM TESSIN /
    Seit der Wald sich ganz gelichtet,
Wie verwandelt ist die Welt,
Hier geweitet, da verdichtet,
Alles neu und blaß durchhellt!
    Berge tragen lila Schleier,
Glasig leuchtet ferner Schnee:
Alle Linien spielen freier,
Näher, größer scheint der See.



Und am Südhang im Geklüfte
Warme Sonne, lauer Wind,
Und die Erde atmet Düfte,
Die schon voll von Frühling sind.
    // Mit den Jahren wurden mir die Winter hier im Süden unerträglich, trotz der schönen lieben Sonne. Die Regenzeiten sind bedrückend; in vier durchgefrorenen Wintern, während der Inflationszeit, habe ich hier vor einem winzigen Kaminfeuerchen gesessen und meine Gesundheit für immer verdorben. Seither und seit der Geldbeutel es wieder erlaubt, gehe ich über den Winter fort, nicht um schönere Gegenden zu sehen, denn die gibt es nicht, noch um Abwechslung zu suchen, denn Langeweile ist etwas, was die Natur nicht kennt, sie ist eine Erfindung der Städter – aber ich reise zu den warmen Bädern, ich reise in Städte, wo es gutschließende Türen und Fenster, warme Holzböden, gute Öfen, wo es einen Arzt und einen Masseur gibt, und während ich mit ihrer Hilfe die Winterschmerzen zu ertragen suche, fällt dies und jenes Schöne mir in den Schoß: Besuch bei Freunden, gute Musik, Stöbern in Bibliotheken und Galerien. Ich wohne dann in der Stadt, und es kommen da, obwohl ich schwer zu finden bin, allerlei Leute zu mir. Es kommen verkannte Maler mit Mappen voll toller Entwürfe, es kommen jungeselbstbewußte Leute, die Philologie studiert haben und jetzt eine Doktorarbeit über mich machen wollen; sie machen sie auch, reißen mich und das, was ich in dreißig Jahren gearbeitet habe, unerschrocken in Fetzen und bekommen dafür von ihrer Fakultät den Doktorhut auf die klugen Köpfe gesetzt. Es kommen versoffene Kunstzigeuner, die oft gute Geschichten wissen und jedenfalls ergiebiger sind als alle »gute Gesellschaft«, und es kommen die Kometen und Exzentriker des Geistes, Genies mit Verfolgungswahn, Religionsgründer, Magier. Es kam, bis vor kurzem, je und je der liebe arme Dichter Klabund, voll von Geschichten, voll von Neugierde, mit dem jungen, immer ein wenig fiebrigen Gesicht, oder es erscheint, flüchtig und nur für Stunden, ohne Gepäck und mit der Bahn fehlgefahren, die blonde Fee Emmy Hennings, und früher zeigte sich manchmal auch der hagere Gnom Hans Morgenthaler, der wenig sprach, viel vor sich hin kicherte, zuweilen furchtbar verzweifelte Gedichte aus der Tasche zog und todkrank war, auch er ist dies Jahr gestorben. Für sie alle bin ich eine Art onkel, wir haben einander gern, sie sehen mich mit Verwunderung scheinbar mitten im bürgerlichen Leben stehen und doch zugleich ihrer Welt angehören; sie rechnen mich nicht ganz zu sich, zur Zunft der Heimatlosen, und wissen doch, daß ich nicht nur Mozart und die Florentiner Madonnen liebe, sondern ebenso sehr die Entgleisten, die gehetzten Steppenwölfe. Wir tauschenGedichte und Zeichnungen, geben einander Redaktionsadressen, leihen einander Bücher und trinken manche Flasche Wein miteinander. Manchmal lasse ich mich auch zu einer Reise in irgendeine schöne, bildungshungrige Stadt verleiten, jedes Jahr einmal, da bekomme ich Reisegeld und Honorar, werde von einem Kenner durch die Altertümer und Sehenswürdigkeiten der Stadt geführt und muß dafür einen Abend lang fremden Menschen in irgendeinem unsympathischen Saal meine Gedichte vorlesen, und tue es jedesmal mit dem Gefühl: »Nie wieder!«
    (Aus: »Wenn es Herbst wird«, 1928)
/ PAVILLON IM WINTER /
    Urenkelstiefkind eines hadrianischen Tempels,
Illegitimer Erbe mediceischer Villen.
Mit einem Hauch Erinnerung an Versailles
Gepudert, lächelst du
Mit deinen Treppen, Säulen, Vasen und Voluten,
Unheimisch am barbarischen Strand,
Blickst in ein Land, dem du nicht angehörst,
Schickst Reize aus und Zauber,
Die nicht dein eigen sind;
Und Schnee blickt ringsum kalt
Durch deine allzuvielen Scheiben.
    Du gleichst in der geliehenen Pracht
Dem armen Mädchen, das am Straßenrand
Der Großstadt steht und etwas mühsam lächelt
Und nicht so schön ist wie es scheinen will,
Und nicht so reich wie sein gefälschter Schmuck,
Und nicht so froh wie seine bunte Larve.
Ihm gleichst du; etwas Spott
Und
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