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Winter der Zärtlichkeit

Winter der Zärtlichkeit

Titel: Winter der Zärtlichkeit
Autoren: Linda Miller
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erwiderte sie. „Tobias ist mein Sohn, und ich werde mir nicht von dir sagen lassen, wie ich ihn zu erziehen habe!“
    Mit Schwung warf Doss sich die Satteltaschen über die Schulter und trat zurück, seine braungrünen Augen verfinsterten sich. „Er ist der Sohn meines Bruders - und ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass du aus ihm ein verweichlichtes kleines Hündchen machst, das an deinen Rockschößen klebt.“
    „Das reicht, Doss. Du hast genug gesagt“, erwiderte sie knapp.
    Da lehnte er sich so weit nach vorn, dass ihre Nasen sich beinahe berührten. „Ich habe noch nicht mal angefangen zu reden, Mrs. McKettrick.“
    Hannah ließ ihn stehen und marschierte Richtung Haus. Der Schnee war fast kniehoch, was es schwierig machte, wütend davonzustapfen. Ohne sich umzudrehen, rief sie ihm über die Schulter zu: „In einer Stunde ist das Abendessen fertig, aber vielleicht isst du ja lieber bei den Arbeitern.“
    Doss’ Lachen ärgerte sie, was er sicherlich auch beabsichtigt hatte. „Mit dem alten Charlie kommt man zwar viel leichter aus als mit dir, aber wenn es ums Kochen geht, kann er dir nicht das Wasser reichen. Wie auch immer, er ist für einen Monat weg, falls dir das noch nicht auf gefallen ist.“
    Obwohl ihr in Gabes altem Wollmantel bitterkalt war, spürte Hannah, wie sie errötete. Gabes Geruch verflüchtigte sich langsam aus dem alten Gewebe, und sie wünschte, sie wüsste einen Weg, ihn festzuhalten.
    „Ganz wie du willst“, erwiderte sie scharf.
    Tobias schob gerade ein Holzscheit in den Herd, als sie hereinkam. Glühende Funken stoben den schwarzen Rauchfang hinauf, bevor er die Ofenklappe mit einem lauten Knall schloss.
    „Wir haben doch nur ein Fort gebaut“, brummte er.
    Hannah wurde ganz reglos bei seinem Anblick, so, als ob jemand ein Lasso über sie geworfen und fest zugezogen hätte. „Ich könnte Brot und Würstchen in Bratensoße machen“, sagte sie leise.
    Aber Tobias ignorierte ihr Friedensangebot. „Du bist hinuntergeritten, um den Postwagen abzufangen“, meinte er, ohne sie anzusehen. „Habe ich irgendwelche Briefe bekommen?“ Mit den Händen in den hinteren Hosentaschen und den dunkelblonden Haaren, die in der durchs Fenster schimmernden Wintersonne glänzten, sah er aus wie Gabe in seinem Alter.
    „Einen von deinem Großvater“, sagte Hannah. Automatisch hängte sie ihre Mütze an den üblichen Haken, zog die gestrickten Fäustlinge aus und stopfte sie in die Taschen von Gabes Mantel. Den Mantel streifte sie immer zuletzt ab, weil sie es hasste, sich von ihm zu trennen.
    „Welcher Großvater?“ Tobias wärmte seine Hände am Ofen und weigerte sich noch immer, seine Mutter anzusehen.
    Hannahs Familie lebte in Missoula, Montana, in einem großen Haus an einer dreispurigen Wohnstraße, und sie vermisste sie schrecklich. Dass Tobias auf einen Brief von Holt und nicht von ihrem Vater hoffte, schmerzte sie ein wenig.
    „Der McKettrick-Opa“, antwortete sie.
    „Gut“, nickte Tobias.
    Die Hintertür ging auf, und Doss trat ein, noch immer die Satteltaschen über der Schulter. Normalerweise klopfte er vor dem Eintreten den Schnee von seinen Stiefeln, aber heute war er stur.
    Hannah ging zum Ofen und füllte eine Schüssel mit heißem Wasser, um das Geschirr zu spülen, bevor sie zu kochen begann.
    „Fang“, rief Doss fröhlich.
    Als sie sich umdrehte, sah sie die Satteltasche mit der Post durch die Luft fliegen. Tobias fing sie geschickt und mit einem Grinsen auf.
    Wann hatte er sie zuletzt so angegrinst?
    Aufgeregt durchwühlte der Kleine die Taschen und fand schließlich den dicken, in San Antonio, Texas, abgestempelten Umschlag. Ihre Schwiegereltern Holt und Lorelei McKettrick besaßen eine Farm etwas außerhalb dieser weit entfernten Stadt. Seit Kriegsbeginn verbrachten sie viel Zeit dort, auch wenn Triple M nach wie vor ihr Zuhause war. Hannah kannte sie kaum. Auch Tobias kannte seine Großeltern nicht, doch seit er lesen konnte, führte er einen lebhaften Schriftverkehr mit den beiden. Seit Gabes Tod kamen die Briefe wöchentlich.
    Natürlich waren Gabes Eltern zum Begräbnis gekommen, und seitdem hegte Hannah insgeheim eine bestimmte Befürchtung. Holt und Lorelei sahen in Tobias ihren verlorenen Sohn, genau wie sie selbst. Vor ihrer Abreise boten sie Hannah an, ihn mit nach Texas zu nehmen. Sie brauchte nicht abzulehnen - das erledigte Tobias für sie, aber er war sichtlich hin- und hergerissen. Ein Teil von ihm wollte mit.
    Bis zur Abreise von Holt
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