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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don
Autoren: Tage der Toten
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die Rohdaten sammeln und auswerten. Die Dreckarbeit machten dann die
anderen, meist Spezialeinheiten im Sold der Firma.
    Sie rückten immer nachts aus, erinnert sich Keller. Blieben manchmal
tagelang weg, trudelten im Morgengrauen wieder ein, völlig überdreht vom
Dexedrin. Dann verzogen sie sich in ihre Kojen und schliefen tagelang durch,
bis sie wieder rausmussten, zum nächsten Einsatz.
    Ein paarmal, wenn es Hinweise auf eine größere Feindkonzentration gab,
war Keller mit den Jungs von den Special Forces rausgefahren, hatte beim Legen
eines nächtlichen Hinterhalts geholfen.
    Aber begeistert hatte ihn das nicht. Meistens hatte er einfach nur Angst,
aber er machte seinen Job, sparte nicht mit Munition, gab seinen Kumpels
Feuerschutz und kam lebend wieder raus. Aber er hat Dinge gesehen, die er am
liebsten vergessen möchte.
    Ich muss mit der Tatsache leben, denkt Keller, dass ich Namen von Menschen
auf ein Stück Papier geschrieben habe und damit ihr Todesurteil gefällt habe.
Wer das hinter sich hat, kann nur noch zusehen, dass er möglichst sauber durch
diese dreckige Welt kommt.
    Aber dieser verdammte Krieg.
    Dieser verdammte, beschissene Krieg.
    Wie viele andere hat auch er den Abflug der letzten Hubschrauber aus
Saigon im Fernsehen verfolgt, wie viele andere Kriegsveteranen hat auch er sich
an dem Abend, als das Angebot kam, zur neu gegründeten DEA zu wechseln,
sinnlos besoffen, und er war von Anfang an dabei.
    Aber erst hat er mit Althie drüber gesprochen.
    »Vielleicht ist das mal ein sinnvoller Krieg«, hat er zu seiner Frau
gesagt. »Vielleicht können wir den sogar gewinnen.«
    Und jetzt, denkt Keller, während er hier hockt und auf Don Pedro lauert,
stehen wir vielleicht kurz davor.
    Seine Beine tun weh vom Stillsitzen, aber er rührt sich nicht vom Fleck.
Das hat er in Vietnam gelernt. Die Mexikaner, die um ihn herum im Gestrüpp
postiert sind, sind genauso diszipliniert - zwanzig Special Agents vom
mexikanischen Geheimdienst DFS in Tarnkleidung, ausgerüstet mit Uzis.
    Nur Tío Barrera ist im Anzug erschienen.
    Selbst hier oben im wilden Hochland trägt der Sonderbeauftragte des
Gouverneurs einen schwarzen Markenanzug mit blütenweißem Hemd und schwarzer
Seidenkrawatte. Er wirkt entspannt und heiter, ein Musterbild
lateinamerikanischer Männlichkeit.
    Ganz wie die Filmstars der vierziger Jahre, denkt Keller. Glatt
zurückgekämmtes schwarzes Haar, Menjoubärtchen, ein schmales, markantes
Gesicht mit Wangenknochen wie aus Granit gemeißelt.
    Und Augen, schwarz wie eine Neumondnacht.
    Offiziell ist Miguel Angel Barrera Polizeioffizier im Dienst der Provinz Sinaloa und
Leibwächter des Gouverneurs von Sinaloa, Manuel Sánchez Cerro. Inoffiziell ist
er der Mann fürs Grobe, die rechte Hand des Gouverneurs. Und da Operation
Condor, rein technisch gesprochen, eine Aktion der Provinz Sinaloa ist, ist Barrera hier der Boss.
    Und was bin ich?, fragt sich Keller. Wenn ich's recht bedenke, ist Barrera auch mein Boss.
     
    Die zwölf Wochen DEA-Ausbildung waren nicht übermäßig hart. Die
Dreimeilenstrecke ließ ihn kalt, Basketball konnte ihn nicht schrecken, und das
Selbstverteidigungstraining war verglichen mit Langley ein Klacks. Die
Ausbilder trainierten sie nur im Boxen und Ringen, und Keller hatte sich bei
den Box-Jugendmeisterschaften in San Diego eine Bronzemedaille geholt.
    Er war ein mäßiger Mittelgewichtler - gute Technik, aber zu langsam.
Irgendwann fand er sich mit der bitteren Tatsache ab, dass man Schnelligkeit
nicht lernen kann. Er war gerade mal gut genug, um in die höheren Ränge
vorzurücken und dann nach Strich und Faden verdroschen zu werden. Aber er
bewies, dass er einstecken konnte, und das verschaffte ihm, dem Halblatino,
Ansehen im Barrio. Ein Boxer, der einstecken kann, zählt bei den mexikanischen Fans mehr als
einer, der austeilt.
    Und Keller konnte einstecken.
    Als er boxen gelernt hatte, ließen ihn die mexikanischen Kids meistens in
Ruhe. Sogar die Gangs wichen ihm aus.
    Beim DEA-Training allerdings achtete er darauf, seine Gegner im Ring
nicht allzu hart anzufassen. Es war sinnlos, nur aus Prahlerei zuzuschlagen und
sich Feinde zu machen. Die kriminalistische Ausbildung fiel ihm schon schwerer,
aber er bestand die Prüfung mit Würde, und die Suchtmittelkunde war ein Kinderspiel:
Woran erkennt man Marihuana? Woran erkennt man Heroin? Er verkniff sich die
Bemerkung, dass ihm das noch nie Schwierigkeiten bereitet hatte.
    Auch der Versuchung, Klassenbester zu werden,
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