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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don
Autoren: Tage der Toten
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Ich will nichts weiter als einen Scheck.«
    Er bekam ihn.
    Vier Jahre lang, jedes Jahr einen.
    Und eine Lektion mit auf den Weg. Die
YOYO-Regel. You are on your own. Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner.
    Was eine gute Lektion war, wie sich jetzt wieder zeigte, nachdem ihn die DEA nach Culiacán abgeschoben und
dort seinem Schicksal überlassen hatte. »Schauen Sie sich um im Lande«, riet
ihm Taylor und ließ einen ganzen Haufen ähnlicher Klischees folgen: »Sammeln
Sie Eindrücke«, »Gehen Sie's ruhig an«, und, ob man's glaubt oder nicht: »Ohne
Fleiß kein Preis.«
    Er hätte genauso gut »Fick dich ins Knie«, sagen können, denn darauf lief
es hinaus. Taylor und seine Polizeifreunde isolierten ihn, schnitten ihn von
Quellen und Informationen ab, schlossen ihn von den Lagebesprechungen mit der
mexikanischen Polizei aus, ließen ihn weder an den morgendlichen Schwatzrunden
bei Kaffee und Doughnuts teilnehmen noch an den abendlichen Trinkgelagen, wo es
die wirklich wichtigen Informationen gab.
    Mit anderen Worten, er wurde rundum gemobbt.
    Die Mexikaner redeten nicht mit ihm, weil er ein Yankee war, und die
Yankees in Culiacán waren entweder Dealer oder Drogenfahnder. Ein Dealer konnte er nicht sein,
weil er nicht kaufte (Taylor gab keine Mittel für ihn frei, damit er seinen
Leuten nicht ins Handwerk pfuschte), also musste er Drogenfahnder sein.
    Die Polizei von Culiacán wollte nichts mit ihm zu tun haben, weil er ein Yankee-Drogenfahnder war,
der lieber vor der eigenen Haustür kehren sollte, außerdem stand sie
überwiegend im Sold von Don Pedro Aviles. Aus dem gleichen Grund zeigte ihm die
Provinzpolizei von Sinaloa die kalte Schulter, und sie hatte noch ein
zusätzliches Argument: Warum sollte sie mit Art Keller kooperieren, wenn er von
den eigenen Leuten kaltgestellt war?
    Und auch denen erging es nicht viel besser.
    Seit zwei Jahren schon drängte die DEA die mexikanische Regierung zu einer härteren
Gangart gegen die Gomeros. Die Amerikaner legten Beweise vor - Fotos, Tonbänder, Zeugenaussagen -,
doch den Versprechungen der Federales folgten keine Taten, nur leere
Ausflüchte. »Sie sind hier in Mexiko, Señores, solche Dinge brauchen ihre Zeit.«
    Während die Beweise vergilbten, kriegten die Zeugen kalte Füße, und die
Federales wechselten die Posten, so dass die Amerikaner immer wieder von vorn
anfangen mussten, mit einem neuen Beamten der Federales, der von ihnen frische
Beweise und unverbrauchte Zeugen verlangte - um ihnen, wenn alles geliefert
war, mit größtmöglicher Herablassung zu erklären: »Sie sind hier in Mexiko, Señores, solche Dinge
brauchen ihre Zeit.«
    Und während das Heroin aus den Bergen nach Culiacán hereinströmte
wie eine Schlammlawine im Frühling, lieferten sich die jungen Gomeros nächtliche
Straßenkämpfe mit Don Pedros Leuten, so dass sich Art Keller schon nach Da Nang
oder Saigon versetzt fühlte, nur wurde hier viel mehr geschossen.
    Nacht für Nacht lag Keller auf dem Bett seines Hotelzimmers, trank
billigen Scotch, sah Fußball oder Boxen, haderte mit seinem Schicksal.
    Und hatte Sehnsucht nach Althie.
    Im letzten Studienjahr hatte er Althea Patterson auf dem Campus getroffen
und es mit einer ziemlich lahmen Anmache probiert: »Kennen wir uns nicht aus
der Politikwissenschaft?«
    Althea war groß, schlank und blond, mit eher eckigen als runden Konturen.
Ihre Nase hatte einen Höcker, ihr Mund war ein bisschen zu breit, und ihre
grünen Augen saßen ein bisschen zu tief in den Höhlen, so dass sie kaum als
klassische Schönheit durchgehen konnte, aber schön war sie trotzdem.
    Und klug. Sie studierte
tatsächlich Politikwissenschaft, und er hatte sie schon diskutieren hören. Sie
vertrat ihren Standpunkt (ein wenig links von Emma Goldmann) mit hitzigen
Argumenten, und das reizte ihn zusätzlich.
    Also trafen sie sich auf eine Pizza und fuhren danach in ihre Wohnung in
Westwood. Sie machte Espresso, und beim Plaudern stellte sich heraus, dass sie
aus dem alten kalifornischen Geldadel von Santa Barbara stammte und ihr Vater
ein hohes Tier bei den kalifornischen Demokraten war.
    Für sie war Art Keller ein irre gut aussehender Typ mit präch tiger schwarzer Mähne, einer leicht lädierten Nase, die ihm einen
verwegenes Aussehen verlieh, und jener stillen Intelligenz, die dem Kind aus
dem Barrio zu einem Studienplatz an der UCLA verholfen hatte. Und dann war da
noch etwas - eine Aura der Einsamkeit, Verletzlichkeit, Reizbarkeit, die ihn
unwiderstehlich
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