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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don
Autoren: Tage der Toten
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machte.
    Sie landeten ohne Umschweife im Bett, und in der postkoitalen Dunkelheit
fragte er sie: »Kannst du das jetzt auf deiner linkslibertinären Wunschliste
abhaken?«
    »Was?«
    »Das Schlafen mit einem Latino.«
    Sie dachte kurz nach, dann antwortete sie. »Ich dachte immer, Latinos sind
Puertoricaner. Was ich abhaken kann, ist das Schlafen mit einem
Bohnenfresser.«
    »Eigentlich«, sagte er, »bin ich nur ein halber Bohnenfresser.«
    »Oje«, sagte sie. »Es kommt ja immer schlimmer.«
    Althea bildete die Ausnahme von der YOYO-Regel; auf heimtückische Weise
unterhöhlte sie seine Selbstgenügsamkeit, die ihm, als er sie kennenlernte,
schon in Fleisch und Blut übergegangen war. Das Schweigen war ihm zur
Gewohnheit geworden, zu einem Schutzwall, den er schon als Kind um sich
errichtet hatte. Bei seiner Begegnung mit Althie genoss er auch schon den
zusätzlichen Vorteil einer professionellen Ausbildung in der Disziplin der
mentalen Abschottung.
    Die Talent-Scouts der CIA hatten ihn im zweiten Studienjahr aufgespürt und
gepflückt wie eine reife Frucht.
    Sein Professor für Internationale Beziehungen, ein Exilkubaner, ging mit
ihm Kaffee trinken und wurde zu seinem Berater. Professor Osuna sagte ihm,
welche Fächer und welche Sprachkurse er belegen sollte. Er lud ihn auch zu
sich nach Hause ein, zum Dinner, brachte ihm bei, welche Gabel wofür zu
verwenden war, welchen Wein man zu wählen hatte, um welche Frauen man sich
bemühen musste. (Von Althea war Professor Osuna begeistert.
»Sie ist genau die Richtige«, sagte er. »Sie bringt dir Lebensart bei.«)
    Es war eher eine Verführung als eine Rekrutierung.
    Nicht dass Art Keller schwer zu verführen war.
    Die haben einen Riecher für solche wie mich, dachte er später. Die
Verlorenen, die Einsamen, die zwischen allen Stühlen sitzen und nirgends
richtig dazugehören. Und ich war die perfekte Wahl - clever, straßenerprobt,
ehrgeizig. Ich sah aus wie ein Weißer, aber konnte kämpfen wie ein Latino. Ich brauchte
nur den gewissen Schliff, und den haben sie mir verpasst.
    Dann kamen die kleinen Aufträge: »Arturo, wir haben einen Gastprofessor
aus Bolivien. Könntest du den durch die Stadt begleiten?« Noch ein paar mehr
Jobs dieser Art, und es hieß: »Arturo, was treibt eigentlich Dr. Echeverría in seiner
Freizeit? Trinkt er? Steht er auf Mädchen? Nein? Vielleicht auf Jungs?« Als
Nächstes kam: »Arturo, wenn Professor Méndez ein bisschen Marihuana will, könntest du ihm das
besorgen?« - »Arturo, könntest du mir verraten, mit wem unser verehrter
Dichterfreund so telefoniert?« - »Arturo, das ist eine Abhörvorrichtung. Wenn
du die vielleicht in seinem Zimmer installieren könntest...«
    Arturo machte alles, ohne mit der Wimper zu zucken, und er machte es gut.
    Sein Ticket nach Langley bekam er praktisch zusammen mit dem Diplom
ausgehändigt. Und es war eine interessante Übung, Althea diesen Umstand zu
erklären. »Ich kann's dir nur andeutungsweise sagen«, orakelte er. Sie war
nicht dumm, sie begriff sofort.
    »Du bist ein Boxer«, sagte sie zu ihm. »Das ist die perfekte Metapher für
dich.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du beherrschst die Kunst, Dinge von dir fernzuhalten«, sagte sie. »Du
lässt nichts an dich ran.«
    Stimmt nicht, dachte Art. Dich lasse ich an mich ran.
    Ein paar Wochen vor seinem Vietnam-Einsatz heirateten sie. Er schrieb ihr
lange, leidenschaftliche Briefe, ohne mit einer Silbe auf seine Tätigkeit
einzugehen. Als er zurückkam, war er verändert. Natürlich, dachte sie. Wie auch
nicht? Aber die Ver schlossenheit, die sie schon an ihm kannte, hatte sich verstärkt. Er
konnte eine unendliche emotionale Distanz an den Tag legen und zugleich
ableugnen, dass sie bestand. Dann wieder verwandelte er sich in den
aufmerksamen, zärtlichen Mann, in den sie sich verliebt hatte.
    Als er sagte, er denke über einen Berufswechsel nach, war sie erleichtert.
Begeistert erzählte er ihr von der neuen Drogenbehörde, der DEA. Dort könne man
gute und nützliche Arbeit leisten. Sie ermutigte ihn, den Job anzutreten,
obwohl er wieder für drei Monate fort musste, nach der Rückkehr gerade mal
lange genug zu Hause war, um sie zu schwängern, und dann erneut abberufen
wurde, diesmal nach Mexiko.
    Er schrieb ihr lange, leidenschaftliche Briefe aus Mexiko, ohne mit einer
Silbe auf seine Tätigkeit einzugehen. Weil es hier nichts für mich zu tun gibt,
schrieb er ihr.
    Und es stimmte. Es gab nicht das Geringste für ihn zu tun, außer mit
seinem
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