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Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
Autoren: Juergen Kehrer
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ich ungern für jemanden arbeite, der mir einen Bären aufbindet. Sie gehörten selbst zur RAF. Wahrscheinlich waren Sie es, der Ihrer Tochter den Tipp mit New York gegeben hat.«
    Schweigen in der Leitung. »Wer hat Ihnen gesagt, dass ich Mitglied der RAF war?«
    »Spielt keine Rolle.«
    »Für mich schon.«
    »Können wir uns treffen?«, fragte ich.
    »Wieso?«
    »Weil ich Ihnen die fünftausend Euro zurückgeben will.«
    »Es stimmt, ich habe Ihnen einiges verschwiegen«, sagte er schnell. »Aber das ist graue Vergangenheit. Viel wichtiger ist, dass Sie Felizia finden. Bitte, Herr Wilsberg, fliegen Sie nach New York!«
    »Warum machen Sie das nicht selbst?«
    »Das hätte keinen Sinn. Regina Fuchs … würde nicht mit mir reden.«
    »Genauso wenig wie Ihre Exfrau, die angebliche Alkoholikerin?«
    »Auch das kann ich Ihnen erklären.«
    »Wann?«
    »Im Moment bin ich sehr beschäftigt«, sagte Fahle. »Vielleicht nächste Woche. Wenn Sie wieder aus New York zurück sind. Ich vertraue Ihnen.«
    Bevor ich antworten konnte, hatte er aufgelegt.
    Ich dachte lange darüber nach, was ich tun sollte. Dann öffnete ich die Schreibtischschublade. Die fünftausend Euro waren noch da. Aber vielleicht war mein Schreibtisch nicht der richtige Aufbewahrungsort für fünftausend Euro zweifelhafter Herkunft. Ich nahm das Geld heraus und ging zum Bücherregal im Wohnzimmer. Nach kurzem Überlegen entschied ich mich für ein Werk über die chinesische Kulturrevolution. Niemand, der nicht nach einem Versteck suchte, würde das Buch freiwillig in die Hand nehmen. Und irgendwie passte das Thema.
    Nachdem ich es ausgehöhlt und die Papierschnipsel im Klo hinuntergespült hatte, stopfte ich die Scheine zwischen Mao und seine Partei und stellte den Band ins Regal zurück. Dann buchte ich für den nächsten Tag einen Flug nach New York.

III
    Auf dem Frankfurter Flughafen glaubte ich, Pia Petry zu sehen. Die Frau hatte ihre Größe, ihre halblangen braunen Haare, ihren Gang. Ich folgte ihr ohne Eile, noch unschlüssig, ob ich sie wirklich ansprechen wollte. Womöglich würde ich mir nur eine Abfuhr holen, ein paar kühle, gebrauchte Floskeln mit dem Charme eines Faustschlags in den Magen. Sie konnte so verdammt zickig sein. Und auch so verdammt sexy. Nach unserem gemeinsamen Ausflug in die SM-Welt, der für sie beinahe tödlich geendet hatte, hatte es eine Zeit lang so ausgesehen, als könnte sich zwischen uns etwas entwickeln. Ich war nach Hamburg gefahren und sie war nach Münster gekommen, wir waren zusammen ins Bett gegangen und hatten doch tunlichst vermieden, darüber zu reden, was uns nun eigentlich verband: die Einsamkeit zweier chronisch bindungsunfähiger Singles, die zufällig denselben Beruf ausübten – oder so etwas Ähnliches wie ein Gefühl namens Liebe?
    Bevor wir dazu kamen, die Wahrheit herauszufinden, war es auch schon vorbei. Eines Abends stand Pia vor der Tür meiner Wohnung. Ich hatte Besuch von einer alten Freundin bekommen, die ich jahrelang nicht gesehen hatte, und zu unserer beider Überraschung war die Wiedersehensfreude erstaunlich intensiv ausgefallen. Pia erfasste die Situation mit einem Blick, drehte sich um und verschwand wortlos aus meinem Leben. Ich rief danach ein paarmal bei ihr an, versuchte zu erklären, was aus ihrer Sicht nicht zu erklären war, und gab es schließlich auf. Trotzdem konnte ich sie nicht vergessen. Und ich hoffte, sie mich auch nicht, selbst wenn sie sich von ihrem Mitarbeiter Cornfeld oder irgendeinem anderen Schnösel ablenken ließ.
    Die Frau im Frankfurter Flughafen blieb vor einem Laden stehen und betrachtete eine Ledertasche von Prada oder Gucci. Das würde zu Pia passen. Ich stellte mich schräg hinter sie und wartete auf den Moment, in dem ich ihr Gesicht im Schaufensterglas erkennen konnte. Die Frau war nicht Pia. Ich war enttäuscht. Und erleichtert.

    Nachdem die Stewardess die Tabletts abgeräumt hatte, zog die Frau neben mir Silikonohrstöpsel und eine Augenbinde aus ihrer Handtasche. Bald darauf schnarchte sie leise vor sich hin. Ich blieb wach und konzentrierte mich darauf, eine möglichst schmerzfreie Position für meine verknoteten Beine zu finden.
    Eine Stunde vor der Landung auf dem JFK Airport mussten wir einen Fragebogen ausfüllen und ankreuzen, ob wir in den USA einen terroristischen Anschlag planten oder nicht. Eines musste man den Amerikanern lassen: Sie hatten Vertrauen in die Ehrlichkeit der Menschen.

    Als ich mit dem Taxi nach Manhattan fuhr, war es in
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