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Willkür

Willkür

Titel: Willkür
Autoren: Gary Disher
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schien Bax immer weniger in der Lage zu sein, Dinge auch bis zu ihrem Ende zu verfolgen. Zwar hatte Bax sehr genau erkannt, welche Vorteile der Überfall dieses Wyatt mit sich bringen könnte, doch in allerletzter Minute hatte er einen Rückzieher gemacht. Hatte behauptet, Wyatt sei zu gefährlich und würde es auch auf eine Schießerei ankommen lassen, bei der jedermann verletzt werden könne. Wenn er Wyatt verhafte, sei das keine Garantie dafür, dass Victor einlenke. Im Gegenteil, so Bax, für Victor sei der Überfall wahrscheinlich ein Beweis für die Schwäche der Familie und entsprechend könne er auch Leo gegenüber argumentieren und versuchen, ihn auf seine Seite zu ziehen. Er, Bax, und Stella stünden dann im Regen. Und dann sitze ihm auch noch sein Chef, Coulthart, im Nacken.
    So weit Bax’ Sicht der Dinge. Hätte man Stella gefragt, dann lag das Mesic-Unternehmen quasi vor ihnen auf dem Präsentierteller. Es gab nur zwei Hürden: Victor war die eine, die Cops, die versessen darauf waren, den Mesics das Handwerk zu legen, die andere. Aus dem Überfall konnte man jedoch Kapital schlagen. Der Verlust von zweihunderttausend Dollar war für die Firma zu verschmerzen. Wenn Wyatt und Jardine tatsächlich die Profis waren, für die Bax sie hielt, würde man sie nie fassen, würden sie sich — egal, was passierte — nie freiwillig stellen, niemand würde je erfahren, was wirklich im Haus los war, als die beiden sich mit dem Geld aus dem Staub gemacht hatten.
    Es war eine .22er Target-Pistole. Bax hatte sie bei einer gemeinsamen Aktion mit dem Rauschgiftdezernat mitgehen lassen. Er dachte, sie könne ihm vielleicht mal nützlich sein; sollte er eines Tages einen Unbewaffneten erschießen, könnte er ihm die Waffe unterschieben.
    Alles hatte sich genau so abgespielt, wie Napper es vorhergesagt hatte: Wyatt und Jardine waren bei ihnen aufgetaucht, hatten sich das Geld geschnappt und waren wieder abgezogen. Stella blieb nur kurze Zeit mit Victor und Leo allein zurück. Victor zeterte, Leo schwieg, als sie durch das Glas der Haustür Scheinwerfer aufleuchten sah. Bax. Er betrat das Haus durch die Vordertür, seinen Dienstwagen hatte er in der Auffahrt stehen lassen. Um sein Erscheinen zu rechtfertigen, hielt er eine Geschichte parat. Er verfolge gerade eine heiße Spur im Falle eines Autodiebstahls, sei zufällig hier vorbeigekommen und habe den Eindruck gehabt, etwas stimme nicht. Er habe das überprüfen wollen und sich deshalb Zutritt zum Haus verschafft.
    Kaum hatte Bax die Eingangshalle betreten, da entfuhr es Victor auch schon messerscharf: »Schau mal einer an, wer da kommt.« Der Klang seiner Stimme machte Stella klar, dass Victor anfing, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Bax hockte sich hin, diverse Schlüssel in der Hand, und befreite Stella von ihren Handschellen. Sie stand auf und rieb sich die Handgelenke. Die Anspannung war Bax vom Gesicht abzulesen. Sie befürchtete, er werde erneut die Nerven verlieren, wenn nicht sogar seine Meinung ändern, und umschloss rasch sein Handgelenk. Ihr Griff war warm und fest, und für Bax schrumpften in diesem Augenblick alle Probleme auf ein erträgliches Maß. Ihr entging nicht, dass er sich allmählich entspannte. »Die Waffe«, sagte sie ruhig.
    Bei der Vorstellung, was sie zu tun gedachte, verzerrte sich sein markantes, schmales Gesicht. Er sagte nichts, griff in die Innenseite seines teuren Jacketts und holte die Pistole hervor. Er trug Handschuhe, ihr reichte er ein großes Taschentuch, das sie um den Griff der Waffe wickelte. Dann entsicherte sie die Pistole. Bax hatte ihr zuvor genau erklärt, wie die Waffe funktionierte.
    Leo wollte nicht wahrhaben, was sich da anbahnte. Er versuchte aufzustehen, sich vom Heizkörper loszureißen, trotz der Handschellen.
    »Los ... Macht schon, Bax, Stel, macht mich hier los, bitte!«
    »Spar dir deinen Atem«, sagte Victor.
    »Du brauchst mich doch, Stel!«
    »Idiot«, zischte Victor. »Hast du’s immer noch nicht kapiert?«
    Bax wollte nicht Zeuge dessen werden, was nun folgte, und drehte sich weg. Sie schoss jedem Bruder zweimal in den Kopf, einmal mitten in die Brust, ließ die Waffe fallen und gab Bax das Taschentuch zurück. »Erledigt«, sagte sie und berührte seinen Arm. Dann setzte sie sich auf den Boden und Bax, der, so gut es ging, versuchte, die zitternden Körper neben sich zu ignorieren, schloss sie wieder an den Heizkörper an.
    »Bax«, sagte sie leise und blickte ihm dabei fest in die Augen, »es
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