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Willkür

Willkür

Titel: Willkür
Autoren: Gary Disher
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läuft perfekt. Okay? Du brauchst jetzt nur noch anzurufen und deine Geschichte zu erzählen.«
    Die Funkstreife war als Erste zur Stelle, dann folgte ein Krankenwagen, dann noch einer, dann mehrere Polizeiwagen. Ein Uniformierter befreite Stella von ihren Handschellen und schenkte ihr einen Brandy ein. Sie gab vor, unter Schock zu stehen und agierte mechanisch. Leute von der Spurensicherung fotografierten die Leichen, den Safe, die offenen Schubladen im Haus, sicherten Fingerabdrücke. Die Besatzung der Krankenwagen wurde langsam unruhig, meinte, man solle erst die Gerichtsmedizin rufen, bevor man sie rufe. Der Gerichtsmediziner, als er dann endlich kam, reagierte gereizt und spulte sein Pensum ab, einen weißen Kittel über seinem Smoking. Die von der Mordkommission brachten sie in die Küche, eine Beamtin kochte Kaffee und man sagte: »Wir müssen Ihnen leider einige Fragen stellen.« Sie stellten Fragen. Stellten weitere Fragen. Beamte vom Raubdezernat befragten sie ebenfalls. Dann wieder die von der Mordkommission. Die gleichen Fragen, nur anders formuliert. Schließlich rief sie: »Das ist ja unerträglich! Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, und schlug die Hände vors Gesicht. Bax sah sie nicht mehr.
    Gegen zehn Uhr nachts ließen sie Stella gehen. Sie musste ihren Aufenthaltsort angeben, eine Telefonnummer hinterlassen, damit man sich mit ihr in Verbindung setzen konnte. Sie nannte das Apartment in South Yarra und ließ sich von einer Beamtin dorthin fahren. Es war merkwürdig. In den Augen der Polizei war sie Abschaum, die Familie war Abschaum und die Welt war ein besserer Ort ohne sie. Doch ab und zu war es ihr so vorgekommen, als riefen sich die Cops in Erinnerung, dass man Ehemann und Schwager vor ihren Augen exekutiert hatte und dass sie dem Tod ins Angesicht geblickt haben musste, denn man behandelte sie etwas zuvorkommender, und sie nahm es hin in dem Gefühl, es verdient zu haben. Sie hüllte sich in ihre Rolle wie in einen Umhang, den sie auch dann nicht ablegte, als die Beamtin ging und sie allein in ihrem Apartment zurückblieb. Ihre Stimmung war düster, nachdenklich, Stella fühlte sich als tragische Heldin. Sie genehmigte sich einen Scotch auf Eis, legte Marianne Faithfull auf und stellte sich all die einsamen Frauen vor, die in Sportwagen durch Paris fuhren.
    Doch Bax wusste das alsbald zu zerstreuen. Kurz vor Mitternacht stand er vor ihrer Tür, aufgewühlt und bleich. Sie brachte ihn ins Wohnzimmer und drückte ihn hinunter aufs Sofa. Wie die Unruhspirale einer Uhr, die man zu stark aufgezogen hatte, drohte er gleich zu zerspringen. Und vermutlich ging es wieder von vorne los: Fragen, Fragen, Fragen.
    »Wir waren uns doch einig, dass du nicht herkommst«, sagte sie. »Das ist viel zu riskant.«
    »Mir ist niemand gefolgt, Stel«, erwiderte er und sah sie flehentlich an. »Ich muss einfach wissen, worüber sie mit dir gesprochen haben, welche Fragen sie dir gestellt haben.«
    »Was meinst du wohl, was sie gefragt haben? Ob ich die Männer deutlich gesehen habe. Ob ich sie beschreiben kann. Ob ich eine Ahnung habe, wer sie sein könnten. Ob ich der Meinung bin, Raub sei das ursprüngliche Motiv gewesen oder ob es sich um einen geplanten Mord gehandelt haben könnte, der wie ein Raubüberfall aussehen soll, der aus dem Ruder gelaufen ist. Ach, und ob die Mesics irgendwelche Feinde hätten.« Sie lachte. »Klar, hab ich gesagt, die gesamte Polizei von Melbourne. Dann wollten sie wissen, wie viel Geld im Safe war, und ob und wenn ja, was die beiden Männer gesagt haben. Und so weiter und so weiter.« Sie holte Luft. »Und bei dir? Haben sie dir deine Geschichte abgekauft?«
    »Sie haben’s geschluckt, das mit den Nachforschungen in Sachen Autodiebstahl.«
    »Und sie haben sich nicht über den Zeitpunkt deines Erscheinens am Tatort gewundert?«
    Bax rieb sein Gesicht mit beiden Händen. »Ja, schon, aber ich hab ihnen erklärt, dass die Mesics nur am Abend zu Hause anzutreffen sind. Ich hab ihnen auch Coultharts Namen gegeben und gesagt, dass ich seit Jahren gegen euch ermittle.« Er ließ die Hände sinken und stöhnte: »Oh Gott, ich kann’s immer noch nicht fassen, wie cool du gewesen bist.«
    Stella sah ihn an und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er gehen möge.
    »Die Untersuchungen werden sich eine Weile hinziehen«, fing er wieder an. »Es werden ein paar Wochen ins Land gehen, bis sie aufhören herumzuschnüffeln. Bis dahin ist die Konkurrenz gründlich abgeschreckt
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