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Willkommen im Totenhaus

Willkommen im Totenhaus

Titel: Willkommen im Totenhaus
Autoren: Jason Dark
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das von anderen gezogen wurde.
    Graystone Halls Kraft war einfach zu mächtig. Das Haus wollte sie, so wie es ihre Freunde geholt hatte. Sie konnte nicht entkommen, und sie war auch bereit, sich mit diesen Gedanken zu beschäftigen. Nur brachte es ihr nichts. Der innere Widerstand war nur schwach vorhanden.
    Kelly erreichte die Nähe des Hauses. Sie hätte schon Argusaugen haben müssen, um es zu sehen. Ihre Nase war nicht verstopft. Der leichte Wind trieb ihr nicht nur den Nebel entgegen, sondern auch den in ihn hineingemischten Geruch.
    Sie hielt den Mund offen. Sie schmeckte den Gestank von Verwestem und Vermodertem auf ihrer Zunge. Mit jedem Schritt, den sie zurücklegte, verstärkte sich der Geruch. Nach einigen weiter zurückgelegten Metern erschienen die Umrisse von Graystone Hall. Noch zog der Nebel dünn wie graue Suppe an der mit Veranden bestückten Fassade entlang. Doch in diesen grauen Wolken stand es wie eine finstere Trutzburg.
    »Komm – komm…«, lockte eine Stimme, die plötzlich durch ihren Kopf klang. »Du mußt herkommen, wir warten auf dich. Wir – Simon und auch Bernie…«
    Kelly blieb stehen. Die Botschaft hatte sie hart getroffen und völlig durcheinandergebracht. Sie wußte nicht mehr, was sie glauben sollte. Sie hatte Roy Walkers schreckliches Ende erlebt und war davon ausgegangen, auch Bernie und ihren Freund Simon nicht mehr lebend wiederzusehen.
    Und nun die Stimme! Sie gehörte Simon!
    SIMON! Der Name beherrschte alles. Sie dachte nur an ihn und daran, daß er wohl nicht tot war. Wenn es denn stimmte, befand er sich möglicherweise in einer schlimmen Lage, aus der nur sie ihn hervorholen konnte. Deshalb hatte er sich wohl bei ihr gemeldet, und sie wußte nicht mehr, wie es weitergehen sollte.
    Sie blieb stehen. Holte tief Luft. Brauchte Energie. Lauschte in sich hinein und dachte daran, wie verrückt die Welt plötzlich geworden war, in der sich Leben und Sterben so einfach zusammenmischten.
    Kelly hörte nichts mehr.
    Sie wartete noch.
    Die Ungeduld in ihr war wie eine Folter. Sie hatte sich nicht geirrt. Simon hatte sie gerufen. Er brauchte Hilfe. Das gab bei Kelly Kidman den Ausschlag.
    Sie sammelte ihre Kräfte, als sie zusätzlich noch tief Luft holte. Dann der Ruf, der gewaltige Schrei, der nur aus einem einzigen Wort bestand.
    »Simooonnnn!«
    Sie brüllte den Namen in den Nebel hinein. Sie schickte diese Botschaft gegen das Haus, als wollte sie es durch ihren Schrei zusammenbrechen lassen.
    Der Nebel schluckte ein Teil der Kraft, doch er mußte auch im Haus gehört werden. Wenn Simon da war, würde er sich melden…
    Das Echo verwehte. Kelly stand noch immer auf der gleichen Stelle. Völlig verzweifelt und innerlich leer. Ihr Kopf war schwer geworden, als hätte man ihn mit Pudding gefüllt. Auch die Haltung veränderte sich. Die Schultern sackten nach vorn, der Körper ebenfalls, und Kelly sah aus, als würde sie fallen.
    Nein, sie blieb stehen. Sie schaffte es, sich zusammenzureißen, und sie wollte es kaum glauben, als sich der Kontakt einstellte. Zuerst reagierte sie nicht, aber dann erklang die Stimme ihres Freundes erneut in ihrem Kopf.
    »Du bist schon fast da, Kelly… bitte… es sind nur wenige Schritte. Komm… komm ins Haus. Dort warte ich auf dich. Komm wieder zu mir, ich möchte nicht getrennt sein. Wir lieben uns doch. Das haben wir uns immer versprochen.«
    Kelly lauschte noch, als die Botschaft schon langst verstummt war. Aber der Ausdruck auf ihrem Gesicht änderte sich. Die Erschöpfung und die Verzweiflung verschwanden, ihre Miene entspannte sich, und ein erstes Lächeln huschte über ihre Lippen.
    Dann nickte sie. »Ja, Simon, ja, du hast mich gerufen. Ich weiß, daß du mich liebst, und ich liebe dich auch. Deshalb werde ich zu dir kommen. Ich will dich spüren. Ich will dich in meine Arme schließen. Wir gehören zusammen…«
    Die letzten Sätze waren für Kelly Kidman wie ein Startsignal gewesen. Durch ihren Körper ging ein Kuck, als wäre sie von einer starken Hand nach vorn geschoben worden.
    Graystone Hall stand noch immer vor ihr. Es hatte sich nicht verändert. I’s war gleich düster, bedrückend und unheimlich geblieben. Ein Hort des Bösen, eine Wohnstatt des Teufels.
    Kein Mensch ging dort freiwillig hin. Auch Kelly hatte es niemals betreten, aber in dieser langen und nebligen Nacht hatte sich vieles verändert.
    Sie dachte nicht mehr an das Totenhaus an sich, sondern nur an das, was darin steckte.
    Simon wartete.
    Simon brauchte
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