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Wildhexe - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe - Die Feuerprobe
Autoren: Carl Hanser Verlag
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verhindern, dass ich das Wasser durchquerte. Deshalb drohte sie mir. Deshalb versuchte sie, mich so sehr zu erschrecken.
    Sie weiß, dass ich es schaffe.
    Der Gedanke kam aus dem Nichts, oder vielleicht auch aus diesem unheilvollen gelben Blick. Wenn sie so sicher war, dass ich keine Chance hatte, weshalb sollte sie dann versuchen, mich zum Aufgeben zu bringen?
    Seltsam, dass Chimära mir womöglich mehr zutraute als ich selbst …
    Bei diesem Gedanken wagte ich den nächsten Schritt weiter ins Wasser.
    Ich wartete auf den Schmerz, aber er kam nicht.
    Die Medusen schwebten um mich herum, und eine von ihnen streifte mein Bein. Ein seltsames Gefühl, das mich irgendwie an Radiergummi erinnerte. Aber sie verbrannte mich nicht. Tante Isa hatte recht gehabt. Ich konnte auf die Natur vertrauen – und vielleicht sogar ein wenig auf mich selbst.
    Langsam ging ich weiter durch den See und stieg auf der anderen Seite nach oben.
    Ich wurde nass – sonst nichts.
    »Clara Ask ist durch das Feuer des Wassers gegangen«, verkündete Thuja.
     
    »Die Hälfte hast du geschafft«, sagte Tante Isa, während sie meine Schultern mit einem Handtuch trocken rubbelte. »Und du hast dich fantastisch geschlagen. Hier, zieh schnell den Pulli an, bevor du mir noch erfrierst.«
    Mit zitternden Armen zog ich meinen Pullover über den Kopf. Und dieses Mal zitterte ich, weil ich fror . Winterbaden würde eindeutig nie zu meinen Lieblingssportarten gehören.
    Ich fühlte mich so merkwürdig. Fast so, als ob ich nie wieder Angst haben würde. Jedenfalls keine große Angst. Und es kam mir beinahe so vor, als ob ich innerlich genauso groß war wie alle anderen. Das war schön.
    »Sie haben mir nichts getan«, sagte ich, bestimmt zum fünften Mal. »Sie haben mir wirklich nichts getan …«
    »Nein«, sagte Tante Isa lächelnd. »Das habe ich dir doch gesagt.«

19  DAS FEUER DER ERDE
     
     
    Ich hatte erst die Hälfte geschafft – aber es fühlte sich nach viel mehr an. Vor der dritten Prüfung, dem Feuer der Erde, hatte ich nicht annähernd so viel Angst wie vor den Feuermedusen.
    Ich sollte durch eine Grotte gehen, in der Feuerechsen waren – so etwas Ähnliches wie kleine Drachen, hatte Frau Pomeranze mir erklärt. Sie konnten brennende Gaswolken in die Luft spucken, was natürlich schon ein bisschen unheimlich war, aber, wie ich fand, längst nicht so schlimm wie die brennenden Fangarme der Medusen. Und wieso sollten diese Echsen feindselig sein, nachdem die Quallen mir nichts getan hatten?
    Chimära beobachtete mich aus den Augenwinkeln, und ich bildete mir ein, in ihrem Blick schon die Niederlage sehen zu können.
    Warte nur, dachte ich. Du wirst diese Prüfung verlieren und ich werde sie gewinnen. Denn ich bin eine Wildhexe. Vielleicht nicht die beste Wildhexe der Welt, aber ich habe nicht gelogen. Sie werden mich durchlassen.
    Ich glaubte wirklich daran.
     
    Der Eingang zur Grotte war ein Loch in der Erde, nicht viel größer als die Fenster im Fahrradkeller bei uns zu Hause.
    »Dieses Mal bist du alleine«, sagte Frau Pomeranze. »Wir können dich erst wieder sehen, wenn du auf der anderen Seite herauskommst. Und es wird auch ein bisschen schwieriger, denn es genügt nicht, dass die Feuerechsen dich in Ruhe lassen, sie müssen dir helfen. Ihr Feuer ist das einzige Licht, dass es dort unten gibt, und du brauchst es, um den Weg zum Ausgang zu finden.«
    »Ja«, sagte ich. »Das habe ich verstanden.«
    »Nun, mehr kann ich dir dazu nicht sagen, kleine Hexe. Viel Glück.«
    Dieses Mal summte niemand. Musste ich die Feuerechsen selbst wecken, um ihre Hilfe zu bekommen? Ich fühlte mich fast ein bisschen betrogen. Es war irgendwie lange nicht so feierlich, einfach nur an einem Seil um den Bauch in ein Loch hinuntergelassen zu werden. Das war nicht ganz derselbe Stil wie in den beiden ersten Prüfungen.
    Aber hier geht es auch nicht um Stil, sagte ich mir. Hier geht es darum, zu überleben und zu beweisen, dass Chimära lügt und nicht ich!
     
    Natürlich war es dunkel da unten. Dunkel und feucht wie in einem Keller. Ich landete hart und ein Stechen durchfuhr mein Knie – kein wahnsinniger Schmerz, nur eine kleine Warnung, dass ich mich nicht darauf verlassen konnte, dass mein Bein mich allzu lange tragen würde.
    Wie weit es wohl bis zum Ausgang war? Niemand hatte mir etwas darüber gesagt. Was, wenn ich gar nicht so weit laufen konnte?
    Ich befreite mich von dem Seil, an dem man mich heruntergelassen hatte. Es wurde hochgezogen, und kurz
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