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Wildhexe - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe - Die Feuerprobe
Autoren: Carl Hanser Verlag
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darauf wurde eine Abdeckung über die Öffnung geschoben, sodass der letzte Rest des Mond- und Fackellichts verschwand.
    Jetzt war es dunkel. Stockdunkel.
    Erst in diesem Moment kehrte die Angst zurück.
    Ich glaube, ich hatte mir nicht richtig klargemacht, dass ich die Feuerechsen dazu bringen musste, für mich zu leuchten. Ich hatte mir vorgestellt, dass ich mich notfalls auch ohne Licht durch die Grotte vorwärtstasten konnte, sollten sie keine Lust haben, mir zu helfen. Aber schon bei meinem ersten unsicheren Schritt wurde mir klar, dass das unmöglich war. Ich stieß sofort mit dem Zeh gegen etwas Hartes und stolperte, konnte mich aber an der rauen Wand der Grotte abstützen.
    Ich konnte es mir nicht leisten zu fallen. Ich hätte mir Arme und Beine oder vielleicht sogar den Hals brechen können, und auch mein Knie würde nicht noch mehr Stöße verkraften, als es ohnehin schon abbekommen hatte.
    »Äh …, Echsen?«, sagte ich vorsichtig und versuchte, mir dabei nicht zu dämlich vorzukommen. »Seid ihr da?«
    Selbstverständlich bekam ich keine Antwort. Aber hörte ich da ein leises Rascheln im Dunkeln? Ich war mir nicht sicher. Ich wusste aber auch nicht, wie es klang, wenn sich eine Echse bewegte.
    »Das hier ist echt dumm«, sagte ich leise zu mir selbst. Und glaubte, dieses Mal ein schwaches Echo zu hören, das dumm-dumm-dumm flüsterte, nachdem ich selbst aufgehört hatte zu reden.
    Ich biss mir auf die Lippe. Was sollte ich tun? HAUAB zu brüllen würde mir hier auch nicht weiterhelfen, aber das war das einzige Wildhexenkunststück, das ich beherrschte.
    Dann ist es vielleicht an der Zeit, etwas Neues zu lernen.
    Ich zögerte.
    »Kater? Bist du das?«
    Aber auch er gab keine Antwort. Vielleicht war er es gar nicht gewesen. Es war nicht immer ganz einfach zu unterscheiden, ob die innere Stimme dem Kater gehörte oder meine eigene war.
    Es kam mir zwar irgendwie bescheuert vor, die Augen zu schließen, obwohl es sowieso schon so abgrundtief finster war, dass man rein gar nichts sehen konnte – aber ich tat es trotzdem. So hatte Tante Isa mir beigebracht, den Wildsinn zu spüren, und so ging es immer noch am leichtesten.
    Falls man es leicht nennen konnte.
    Nichts sehen, nichts hören, nichts riechen.
    Diesen anderen Sinn finden, der nichts mit Augen, Ohren und Nase zu tun hat. Der alles Leben der Wilden Welt hören konnte – auch das, das sich in der Dunkelheit der Grotte verbarg.
    Da.
    Sogar ganz in der Nähe. So nah, dass ich darüber gestolpert wäre, hätte ich nur einen Schritt mehr gemacht. Ein kleines kühles Lebensflämmchen flackerte im Höhlendunkel, ein kleines Herz, das langsam und kalt schlug.
    Sie friert, dachte ich, und unwillkürlich überkam mich das Bedürfnis, die Echse hochzuheben und meine eigene Wärme mit ihr zu teilen.
    Hiissssssssss …
    Mit einem Mal schoss eine Flamme zwischen uns in die Höhe, so hell, dass ich sie sogar mit geschlossenen Augen erkennen konnte. Ich öffnete die Augen. Für einen Moment hing eine glühende Wolke zwischen mir und der Echse, und ich konnte sie sehen. Sie war gelb mit schwarzen Flecken, ihr nackter Körper war warzig und stachelig, und ihre Augen wölbten sich nach außen, als hätten sie in dem breiten, krötenartigen Kopf nicht genug Platz gefunden. Sie war nicht besonders groß – vielleicht so groß wie ein Meerschweinchen oder ein kleines Kätzchen, aber doch deutlich weniger niedlich. Ich konnte gerade noch sehen, wie sie den ersten watschelnden Schritt auf mich zu machte, bevor die Gaswolke sich auflöste und das Licht erlosch. Kurz darauf spürte ich ihre Krallen an meinem Hosenbein.
    Wärme. Ich wusste, dass sie deshalb meine Nähe suchte. Sie hatte meinen Wunsch, die Wärme mit ihr zu teilen, gehört, und jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich hatte es mehr oder weniger versprochen.
    Na ja. Es verlangt ja keiner von dir, dass du sie küsst, dachte ich, du musst sie ja nur ein bisschen warm halten. Ich beugte mich nach unten, hob das raue, stachelige Tier hoch und drückte es eine Weile an mein Herz. Es fiel mir eigentlich gar nicht schwer, obwohl die Echse weder weich noch warm und flauschig war. Es war eher ein bisschen so, als würde man mit einer Rolle grobem Sandpapier kuscheln, aber ich spürte, dass die Echse es genoss und all die Wärme, die ich ihr geben konnte, auch wirklich brauchte. Nach ein paar Minuten fing sie an, vor Wohlbefinden zu grunzen, und schließlich drang ein summender Laut aus ihrer Kehle, der mich seltsamerweise an
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