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Wildes Begehren

Wildes Begehren

Titel: Wildes Begehren
Autoren: Christine Feehan
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vertraut schwammig an. Conner knöpfte sein Hemd auf, das bereits schweißgetränkt war.
Die drückende, schwüle Hitze war den meisten Menschen unangenehm, auf ihn jedoch wirkte sie belebend. Nicht umsonst trugen die Eingeborenen kaum mehr als ein Lendentuch. Hosen und Oberteile waren schnell durchnässt und scheuerten auf der Haut, was zu Ekzemen und wunden Stellen führte, die sich im Regenwald schnell entzünden konnten. Conner streifte sein T-Shirt ab, zog die Stiefel aus, rollte das Oberteil zusammen und stopfte es in einen der Stiefel, damit Rio die Sachen mitnehmen konnte.
    Dann richtete er sich wieder auf, sog die Luft ein und betrachtete die Vegetation ringsum. Die Bäume ragten wie Kathedralen in den Himmel und bildeten ein so dichtes Blätterdach, dass der Regen Mühe hatte, die vielförmigen Blätter zu durchdringen und die dichten Büsche und Farne am Boden zu bewässern. Orchideen und andere Blumen wetteiferten mit den Moosen und Pilzen, die jeden Zentimeter der Baumstämme bedeckten; auf der Suche nach Luft und Licht strebten alle dem Baumkronendach entgegen.
    Während Conner die Jeans auszog und sie in den anderen Stiefel steckte, wand sich der Leopard bereits unter seiner juckenden Haut. Nichts auf der Welt brauchte er mehr, als ungestört in seiner anderen Gestalt umherzustreifen. Es war so lange her. Ohne Rücksicht auf seine bloßen Füße rannte Conner in den Wald, sprang über einen faulenden Ast und wünschte die Verwandlung herbei. Er konnte schon immer schnell die Gestalt wechseln; das war eine Notwendigkeit, wenn man umgeben von Raubtieren im Dschungel lebte. Conner war nicht ganz Leopard und nicht ganz Mensch, sondern eine Mischung aus beidem. Seine Muskeln verzerrten sich und ein befreiender Schmerz durchzuckte ihn, als der Leopard Gestalt annahm und mit
dicken Muskelsträngen unter dem dichten Pelz zum Vorschein kam.
    Wo Füße gewesen waren, tappten nun Pranken über den gepolsterten Waldboden. Conner lief über mehrere umgestürzte Bäume und durch dichtes Unterholz. Drei Meter weiter war das Sonnenlicht gänzlich verschwunden. Der Dschungel hatte ihn verschluckt, und er atmete erleichtert auf. Während das Blut heiß durch seine Adern strömte, hob er den Kopf und ließ die Tasthaare arbeiten wie ein Radar. Zum ersten Mal seit vielen Monaten fühlte er sich wohl in seiner Haut. Er streckte sich und trottete tiefer in den vertrauten Urwald hinein.
    Conner bevorzugte die Leopardengestalt. Als Mensch hatte er zu viel Schuld auf sich geladen, um sich noch wohlzufühlen. Das bewiesen die tiefen Kratzspuren auf seiner Wange, die ihn für alle Zeit brandmarkten.
    Er dachte nicht gern darüber nach, wie er zu diesen Narben gekommen war und warum er Isabeau Chandler erlaubt hatte, ihn damit zu zeichnen. Er war bis in die Vereinigten Staaten geflüchtet und hatte eine möglichst große Distanz zwischen sich und seine Frau – seine Gefährtin – gebracht, doch es war ihm nicht gelungen den Ausdruck in Isabeaus Gesicht zu vergessen, als sie die Wahrheit über ihn erfuhr. Die Erinnerung daran verfolgte ihn Tag und Nacht.
    Er hatte sich eines der schlimmsten Verbrechen schuldig gemacht, das man in seinem Volk begehen konnte. Er hatte seine Gefährtin belogen. Dass er sie noch nicht als solche erkannt hatte, als er den Job übernahm sie zu verführen, um über sie an ihren Vater heranzukommen, spielte dabei keine Rolle.
    Der Leopard hielt den Kopf in den Wind und bleckte
stumm die Zähne. Seine Tatzen sanken lautlos in die verrottenden Pflanzen auf dem Boden. Er schlich durch das dichte Unterholz, und sein Fell glitt an den Blättern zahlreicher Büsche entlang. Hin und wieder stellte er sich auf die Hinterbeine und zog die Krallen an einem Baumstamm herunter, um sein Revier zu markieren und seine Ansprüche anzumelden, damit die anderen Männchen wussten, dass er wieder daheim war und dass sie mit ihm rechnen mussten. Er hatte diesen Auftrag angenommen, weil er ihn von Borneo fernhielt, dem Regenwald, in dem Isabeau lebte. Er wagte es nicht, dorthin zurückzukehren, denn er wusste, dass er dann wohl die zivilisierte Hülle abstreifen und als Leopard nach ihr suchen würde. Und Isabeau wollte nichts – absolut gar nichts – mit ihm zu tun haben.
    Leise knurrend versuchte Conner diese Gedanken zu verscheuchen. Er sehnte sich nach ihr. Tag und Nacht. Obwohl ein ganzer Ozean sie trennte. Nun, da er wusste, dass seine Gefährtin lebte und wo sie zu finden war, spielte Entfernung keine Rolle mehr.
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