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Wilder Eukalyptus

Titel: Wilder Eukalyptus
Autoren: Fleur McDonald
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Schätze, es sind ungefähr vierhundert Stück mehr, als wir dachten. Wir brauchen mehr Material, um die Lämmer zu kennzeichnen.«
    »Oh«, stieß Gemma überrascht aus. Adam hatte die Bestandsbücher immer sehr genau geführt, und doch war das nun schon das dritte Mal seit seinem Tod, dass sie eine Herde fanden, deren Zahl sich deutlich vergrößert hatte. »Seltsam. Gut, was soll’s, ich kümmere mich darum. Sonst ist alles okay?«
    »Ja. In ungefähr’ner halben Stunde sind wir da.«
    Gemma verabschiedete sich von Bulla und ging anschließend in die Küche, um sich eine Kleinigkeit zuzubereiten. Während sie aß, machte sie nebenbei eine Liste der Besorgungen, die sie in der Stadt zu erledigen hatte. Sie wusste, dass sie Mike Martin zurückrufen musste, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Die Lämmer hatten Vorrang - und Jess, auf die sie sich schon sehr freute.
     
    Gemma war ganz aufgeregt. Jess hatte angerufen - sie war bereits unterwegs -, und Gemma konnte es kaum erwarten, endlich mal wieder weibliche Gesellschaft zu haben. Obwohl sie Adam über alles geliebt hatte, war nicht zu leugnen, dass ihre Freundschaften unter der Ehe gelitten hatten, da sie ihre ganze Zeit der Farm und ihrem Mann widmete. Nicht dass sie sich beklagte - so hatte sie es schließlich gewollt -, aber hin und wieder vermisste sie schon die Partynächte bis zum frühen Morgen mit ihrer lebenslustigen und vor Energie sprühenden Freundin. Jess und Gemma hatten schon viel zusammen erlebt.
Beide waren auf Farmen aufgewachsen. Sie waren im selben Bus zur Schule gefahren, bis Jess’ Eltern ihre Farm aufgegeben hatten und nach Port Pirie gezogen waren. Als die beiden Mädchen erfuhren, dass sie auf dasselbe Internat kommen würden, zusammen mit ihren Freundinnen aus der Grundschule, war die Freude unbeschreiblich groß. Seitdem waren Gemma und Jess unzertrennlich.
    Natürlich ging Jess nicht mehr ganz so oft feiern, seit sie berufstätig war - in einer Bank, ausgerechnet! Gemma schüttelte jedes Mal den Kopf, wenn sie daran dachte, welchen Beruf Jess gewählt hatte. Sie hatte erwartet, ihre wilde, unternehmungslustige Freundin würde sich etwas Revolutionäres aussuchen, womit sie die Welt auf den Kopf stellen konnte - doch stattdessen war aus Jess eine langweilige Finanzberaterin geworden. Das war fast so schlimm wie Verwaltungsfachangestellte!
    Schmunzelnd legte Gemma Musik auf, mixte sich einen Rum mit Cola und sang laut mit, während sie die Soße für das Lamm zubereitete, das sie eigenhändig gezogen, geschlachtet und gekocht hatte und das jetzt im Backofen schmorte. Die Zucht und das Schlachten lagen ihr, das Kochen allerdings weniger, dachte sie.
    Kurze Zeit später sah Gemma einen aufgemotzten roten Pick-up auf den Hof fahren und eilte nach draußen. Jess besaß einen richtigen Angeberwagen, wie ihn gewöhnlich junge Kerle fuhren, voll ausgestattet mit großen Suchscheinwerfern, Funkantenne und Autogrammen von berühmten Country-Sängern auf der Heckklappe, und über dem Armaturenbrett lag eine Thekenmatte, die Jess aus dem Oodnadatta Pub hatte mitgehen lassen, als sie das Pferderennen besuchten. Der Wagen war immer
blitzblank geputzt und sah nur selten schmutziges Gelände. Gemma lief ihrer Freundin mit ausgebreiteten Armen entgegen und fiel ihr um den Hals.
    »Jess, da bist du ja endlich!«
    »Gem, Süße, wie schön, dich zu sehen.« Jess erwiderte die stürmische Umarmung. »O Mann, ich hatte ganz vergessen, wie weit es ist bis Billbinya. Ich habe nicht daran gedacht, mir für die Fahrt was zu trinken mitzunehmen. Ich bin es eben gewohnt, am Steuer nichts zu trinken. Aber nicht einmal die Polizei verirrt sich nach hier draußen!«
    »Du Ärmste, das war bestimmt hart für dich, hundertfünfzig Kilometer ohne einen Tropfen Alkohol.«
    »Na ja, da kann man schon Durst bekommen.«
    »Offensichtlich«, sagte Gemma trocken.
    »Und, wie geht es dir?«, fragte Jess, als sie zum Haus gingen, die Arme locker umeinandergeschlungen.
    »Manchmal ist es nicht leicht. Aber ich schlage mich tapfer.«
    »Ich habe nichts anderes von dir erwartet. Irgendwas Neues von deinen Schwiegerleuten?«
    »Hey, heute Abend wollen wir uns amüsieren, okay?«, sagte Gemma. »Lass uns morgen über diesen Kram reden.«
    Während Gemma den Arm von Jess warm auf ihrer Schulter spürte, empfand sie einen inneren Frieden, den sie seit Adams Tod nicht mehr gekannt hatte. Es war schön, sich fast wieder wie ein Ganzes zu fühlen und zu wissen, dass sie
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