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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum
Autoren: Teresa Medeiros
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gerade rechtzeitig über
einer der Landebahnen von La Guardia, um die Fluglotsen in den Wahnsinn zu treiben.« Um seinem mitleidigen Blick zu entgehen, stand Tabitha auf, trat an eins der Fenster und schob sich eine Strähne blonder Haare aus der Stirn. »Du vergisst, dass Tristan und Arian Lennox bisher noch jedes Problem bewältigt haben. Erinnerst du dich daran, wie der Lamborghini gegen eine Leitplanke gedonnert ist? Die beiden stiegen ohne einen Kratzer aus. Und warst nicht du derjenige, der mir erzählt hat, meine Eltern wären einmal ins Jahr 1689 zurückgereist, um meinen bösen Ur-ur-ur-ur-urur-ur-ur-ur-ur-urgroßvater zu besiegen und dadurch zu beweisen, dass wahre Liebe stärker als alles Übel ist.«
    Der Zynismus in ihrer Stimme beunruhigte ihn. »Meine Theorie hältst du offenbar nicht für zutreffend.«
    »Eine wirklich reizende Hypothese, Onkel Cop, aber du darfst nicht vergessen, dass wir im einundzwanzigsten Jahrhundert leben. Märchen sind einfach nicht mehr angesagt. Romantik wurde längst durch Cybersex mit namen- und gesichtslosen Fremden oder mit Hologrammen der beliebtesten Videostars ersetzt.«
    Cop schnaubte verächtlich auf. »Und du findest das besser?«
    Tabitha zuckte die Schultern. »Die Vorteile sind nicht zu übersehen.« Das Fenster spiegelte ihren nachdenklichen Gesichtsausdruck wider, weshalb ihre Worte den Onkel nicht ganz überzeugten. »Keine Beziehung, keine Verpflichtung… kein Risiko.«
    Ihr Onkel erschauerte, aber sagte sich, dass es im Augenblick um Wichtigeres als um Tabithas Einstellung zur Welt der Gefühle ging. »Deine Eltern mögen glücklicherweise die wahre Liebe gefunden haben, mein Schatz, aber deshalb sind sie nicht unsterblich«, erinnerte er sie sanft.

    Die Lady stopfte ihre Hände in die Taschen ihrer schlabberigen Tweedhose und drehte sich langsam zu ihm um. »Hast du vergessen, dass meine Mutter im Jahre 1669 auf die Welt gekommen ist? Auch wenn sie nicht unsterblich ist, sieht sie für eine Frau von beinahe dreihunderteinundfünfzig noch verdammt lebendig aus, finde ich.«
    Copperfield stieß einen Seufzer aus, denn die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass das Einzige, was bei einem Streit mit einem Mitglied der Familie Lennox herauskam, dröhnender Kopfschmerz war.
    Da er zweifellos eindeutige Maßnahmen ergreifen musste, zog er einen großen Umschlag aus einer Schreibtischschublade und reichte ihn der jungen Frau. »Deine Mutter hat mich gebeten, dir das hier zu geben für den Fall, dass sie …« Sein Griff um das Kuvert verstärkte sich. Es war beinahe, als würden sich seine Berfürchtungen durch die Übergabe tatsächlich bewahrheiten.
    Tabitha starrte den Umschlag lange reglos an, ehe sie ihn ihrem Onkel schließlich ruppig aus den Fingern riss. »Deine Melodramatik wird dir sicher einigermaßen peinlich sein, wenn meine Eltern bei der nächsten Vorstandssitzung ihres Unternehmens plötzlich aus einem der Heizungsschächte klettern«, sagte sie und wollte den Umschlag gerade öffnen, als Copperfield eilig ihre Hände stoppte.
    »Arian hat gesagt, dass du ihn vielleicht lieber erst aufmachst, wenn du alleine bist.«
    Sie runzelte die Stirn und obgleich sie ihrer Stimme einen betont unbekümmerten Klang verlieh, war ihr die Furcht doch deutlich anzusehen. »Was steckt denn drin? Meine Adoptionspapiere? Ich habe Mama und Daddy schon immer gesagt, dass ich mit meiner Fantasielosigkeit gar nicht ihr leibliches Kind sein kann.«

    Copperfield umfasste sanft Tabithas Kinn und nahm ihr vorsichtig die Brille ab. Ihre ernsten grauen Augen sahen ihn unsicher an. Das dichte blonde Haar hatte sie auf praktische Halblänge gestutzt; aber die fedrigen Strähnen hingen ihr trotzdem immer wieder in die Stirn. Mit ihren dreiundzwanzig Jahren war Tabitha beinahe so groß und zweimal so linkisch wie er, wobei ihre Unbeholfenheit sie seltsam liebenswert erscheinen ließ. Ihre gleichmäßigen Züge zeigten die ausgeprägte Intelligenz, aufgrund derer sie bereits im zarten Alter von fünfzehn an die Universität gegangen war, mit neunzehn ihren Doktor in Virtueller Technologie erworben hatte und innerhalb von weniger als drei Jahren zur Leiterin der Abteilung für Virtuelle Realität des Lennoxschen Unternehmens aufgestiegen war. Doch unter der Maske kühler Kompetenz lauerte stets eine liebreizende Spur von Wehmut, das Zeichen für unerfüllte Träume und unausgesprochene Wünsche.
    Als Copperfield das Gesicht des Wesens betrachtete, das er beinahe wie seine eigenen
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