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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition)
Autoren: Katie Fforde
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habe das Boot von einem Freund gekauft, der offenbar seit Ewigkeit keine Liegegebühr mehr bezahlt hatte. Das hab’ ich gestern erst erfahren. Darum bin ich hier. Ich habe drei Monate Zeit, das Geld zusammenzukratzen.«
    »Wenigstens konkurrieren wir hier nicht gegeneinander«, sagte Sally. »Das ist das Gräßliche an meinem Beruf. Andauernd bewirbst du dich für dieselbe Rolle wie deine Freundinnen, die das Geld vermutlich genauso dringend brauchen wie du selbst. Hier suchen sie wenigstens ein Team.«
    »Die Frage ist nur, für welche Art Teamarbeit«, unkte May. Ihre Nervosität steigerte sich mit jeder Minute. »Ich verstehe überhaupt nichts vom Putzen. Es besteht nicht die geringste Chance, daß ich diesen Job bekomme. Vielleicht sollte ich lieber jetzt verschwinden, statt zu warten, bis ich abgewiesen werde.«
    »Aber vielleicht wirst du ja nicht abgewiesen«, gab die Leseratte zu bedenken.
    »Hoffentlich nicht. Das einzige andere Stellenangebot, das für mich in Frage kam, war als Politesse. So verzweifelt ich auch sein mag, ich glaub’ nicht, daß ich dem ins Auge sehen könnte.«
    Sally dachte darüber nach. »Weiß nicht. Diese Hüte sind doch irgendwie ganz attraktiv. Und du könntest vermutlich alle möglichen Berühmtheiten kennenlernen, die dir vielleicht eine Rolle in einem neuen Musical am West End anbieten, nur weil du so schöne Augen hast.«
    Mays Augen verengten sich skeptisch. »Oh, klar doch ...«
    Das Mädchen mit dem Buch rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.
    »Geh du ruhig als nächste«, sagte May zu ihr, denn sie sah wirklich so elend aus, daß man fürchten mußte, sie werde sich übergeben, wenn man sie nicht bald von ihren Qualen erlöste.
    »Nein, nein, ich war schon. Ich warte nur auf das Ergebnis. Du bist dran.«
    »Ach, du lieber Gott. Ehrlich?« May erhob sich, ging zur Tür und stolperte wieder in ihren etwas zu großen Tretern.
    In dem Büro saß ein Mann in einem Anzug, beinah vollkommen verhüllt von einem Nebel aus Zigarettenrauch. Er hatte die Statur und das oberflächlich gute Aussehen eines Nachtclubtürstehers und wirkte geradezu ekelerregend reich. Manche Frauen würden ihn wohl attraktiv nennen, räumte May ein. Er hatte dunkle, durchdringende Augen, die, so fürchtete sie, blitzschnell und absolut korrekt zwischen einer Frau, die sich aufs Putzen verstand, und einer, die davon keine Ahnung hatte, unterscheiden konnten.
    Mit einer Geste bot er ihr einen Platz an, und May entdeckte einen Ring mit einem Rubin an seinem kleinen Finger – ein sicherer Beweis dafür, daß er sich darauf verstand, Geld zu machen. Beruhigend.
    »Nun denn, meine Liebe«, begann er. »Ihr Name?«
    »May Sargent.«
    Er zog Mays Fragebogen zwischen den anderen hervor, die in einem Stapel auf seinem Schreibtisch lagen. Er überflog ihn kurz, ehe er May wieder ansah.
    »Ich wüßte gerne ein bißchen mehr über ihren Background, ehe ich Ihnen erzähle, was für ein Geschäft ich hier aufziehen möchte. Hier steht, Sie leben auf einem Boot?«
    »Ähm ... ja.«
    »Zusammen mit Ihren Eltern?«
    »Nein.«
    »Und wo wohnen Ihre Eltern?«
    Mays Mangel an Zurückhaltung und ihre feministischen Prinzipien hatten sie erst gestern einen Job gekostet. »In Hertfordshire«, antwortete sie artig.
    »Sehen Sie sie häufig?«
    »Na ja ... nicht so oft, wie sie es gern hätten.«
    Er studierte wieder ihren Fragebogen. »Sie leben also allein auf diesem Boot?«
    »Ja.«
    Er nickte. »Also, sagen Sie mir, May, warum Sie sich für diesen Job beworben haben.«
    »Ich brauche das Geld.« Ehrlichkeit mochte einen nicht immer am weitesten bringen, aber ihr war keine Zeit geblieben, sich eine bessere Antwort auszudenken.
    »Würden Ihre Eltern Ihnen nicht aushelfen?«
    Warum dachten nur alle Leute, ihre Eltern seien so was wie der Internationale Währungsfonds? Mike hatte auch vorgeschlagen, sie solle sie um das Geld bitten. »Ich lebe nicht mehr zu Hause, und ich kann mich selbst versorgen.«
    »Wirklich? Sie haben ziemlich viele Ausbildungen angefangen, oder?«
    Das war ihr vertrauter. Kritische Äußerungen über ihre Unfähigkeit, sich für einen Beruf zu entscheiden. Schuldgefühle und ihre Ratlosigkeit trieben sie in die Defensive. »Nur drei.«
    »Aber Sie arbeiten jetzt in keinem dieser Bereiche?« Die Hand mit dem Rubinring fegte abfällig über den Fragebogen.
    »Nein ... Meine Eltern ...« Sie konnte nicht sagen, ihre Eltern hätten sie zu irgend etwas gezwungen. So etwas hätten sie nie getan. Aber
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