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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition)
Autoren: Katie Fforde
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unwiderstehlich.«
    Sie trug ein tomatenrotes Jackett und ein knappes, schwarzes Röckchen – vermutlich irgendein Designerlabel, tippte May –, und ihre Erscheinung hellte den trostlosen Raum merklich auf. Ihr dunkles Haar war kurz, raffiniert geschnitten, so daß es ihr herzförmiges Gesicht umrahmte und ihre großen Rehaugen betonte.
    Die Mutter wachte auf und zog ihr Kind weiter auf ihren Schoß. »Er steht auf Beine, ja? Warum schreiben sie so was nicht gleich in den Fragebogen? Also, dann kann ich wohl gleich wieder verschwinden. Ich dachte mir schon, die Bezahlung ist zu gut, die Sache muß einen Haken haben.«
    »O nein! Er sucht wirklich Reinigungskräfte. Er hat gesagt, ich soll hier warten.«
    »Seien Sie mir nicht böse, aber Sie sehen irgendwie nicht aus wie eine Reinigungskraft«, sagte May und kaute an ihrer Unterlippe. Sie war sich ihres eigenen seltsamen Aufzugs nur zu bewußt.
    »Wir haben nicht alle Falten in den Strümpfen wie Nora Batty«, entgegnete die Mutter. »Aber es hat vermutlich wirklich keinen Zweck, daß ich bleibe. Für das Geld will er wahrscheinlich Nachtarbeit, und das kann ich sowieso nicht.«
    »Nachtarbeit?« fragte May, plötzlich einer Panik nahe. »Wie meinen Sie das?«
    »Büroräume putzen, spät abends oder ganz früh morgens«, erklärte eine der Frauen ungeduldig. »Haben Sie noch nie so einen Job gemacht?«
    »Nein«, gestand May.
    »Haben Sie denn einen Job?«
    »Nein.«
    Gestern hatte sie noch einen gehabt, selbst wenn er gräßlich und lausig bezahlt war, ebenso ein Boot, das gleichzeitig ihr Heim war, einen Liegeplatz, den sie für sicher gehalten hatte, und einen unbeschwerten Lebensstil. Den Job hatte sie bereits verloren, und wenn ihre »Jugend« und ihr »Enthusiasmus« nicht ausreichten, ihr einen neuen zu beschaffen, dann würde sie alles andere vielleicht verlieren.
    »Ich hab’ auch keine Arbeit«, sagte die mit dem Minirock. »Aber ich bin ja auch Schauspielerin, da ist man das gewöhnt.«
    »Nennt man das nicht ›schöpferische Pause‹?« fragte May.
    »Niemand, der es mal mitgemacht hat, würde es so nennen. Man rennt von einem Vorsprechen zum nächsten, allesamt für völlig unpassende Rollen, und wenn man nicht mit Vorsprechen beschäftigt ist, dann nimmt man Phonetikstunden oder Tanzstunden oder sonst irgendwelche Stunden, mit denen man der Konkurrenz vielleicht mal irgendwas voraus haben könnte. Und wenn man das gerade auch nicht tut, dann hängt man sich an die Strippe und nervt seinen Agenten, der einen zum nächsten unpassenden Vorsprechen schickt, damit er seine Ruhe hat. Schließlich kommt man an den Punkt, wo man dankbar für eine Statistenrolle als Gurkensandwich ist. Mit schöpferisch hat es wirklich nichts zu tun und mit Pause erst recht nicht. Ich hab’ mir gedacht, vielleicht ist es ein bißchen leichter, mit putzen sein Geld zu verdienen.«
    Einige der anderen Frauen starrten sie an, als zweifelten sie an ihrem Verstand.
    »Tja, man muß jedenfalls keinen Spagat können, um eine Toilette zu schrubben, das steht mal fest«, sagte die, die als erste gesprochen hatte.
    Alle lachten, auch die Schauspielerin. »Schande«, sagte sie. »Ich seh’s schon vor mir: ›Sally Bliss, die Königin der Klobürsten‹. Aber keine kann so Lambada tanzen wie ich.«
    Mit einemmal hatte sie alle Sympathien auf ihrer Seite. Niemand hätte es für möglich gehalten, daß eine Frau mit so einem umwerfenden Aussehen in der Lage sein könnte, über sich selbst zu lachen.
    »Tja, ich hab’ mich auch nur mal so auf gut Glück hier beworben«, gestand eine von den professionell wirkenden Frauen. »In der Anzeige stand schließlich ›jung‹. Und wenn er Miss Lovely-Legs hier gebeten hat zu bleiben, will er wohl mehr als nur Reinigungskräfte. Ich bleib’ bei meinem alten Job.« Sie sammelte ihre Siebensachen ein. »Miserabel bezahlt, aber wenigstens kann ich sicher sein, daß sie nur die Böden gewischt haben wollen.«
    Nachdem sie gegangen war, breitete sich wieder Schweigen aus, so dick wie die Luft im Raum und geladen mit Unsicherheit und Besorgnis.
    Sally drehte einen Ring immerzu um ihren Finger. »Glauben Sie, das stimmt? Ich meine, ich bin zwar Schauspielerin, aber ich zieh’ eine ganz klare Grenze. Ich würd’ auf keinen Fall oben ohne kellnern oder so was.«
    »Sie bieten verdächtig viel Geld«, sagte die Mutter. »Aber wenn sie Oben-ohne-Kellnerinnen wollten, warum sollten sie das nicht sagen? Sind schließlich genug Fragen auf diesem
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