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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition)
Autoren: Katie Fforde
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gewaltigen Schritt sie gewagt hatte, als sie die Sicherheit ihres komfortablen, ländlichen Heims verließ und gegen das Londoner Chaos eintauschte.
    May führte sie aus dem U-Bahnhof, über einen Vorplatz mit einer langen Reihe Taxis und einer erstaunlich geschmackvollen Uhr mit Blumendekor, über eine Brücke und auf einen Parkplatz.
    »Wohin entführst du uns?« wollte Sally wissen.
    »Vertraut mir«, erwiderte May mit einem leisen Lachen. »Hier über den Zaun, dann durch die Gasse da vorn.«
    Harriet war überzeugt, daß jeden Moment die Wachhunde über sie herfallen würden, deren Existenz die am Zaun befestigten Schilder androhten. Sie quetschte sich mitsamt ihrem Gepäck durch die schmale Gasse zwischen einer Mauer und einem Holzzaun, der eine Baustelle umgab.
    Der Kanal, den sie bisher immer nur kurz zwischen den Häusern hatte schimmern sehen, verbreiterte sich vor ihnen zu einer Art Becken. Drei Pontons ragten vom Ufer ins Wasser hinaus. Sie wirkten nicht übermäßig stabil und nur lose verankert, und an jeder dieser schwimmenden Brücken waren verschiedene Wasserfahrzeuge vertäut.
    »Das da, das ist mein Boot.« May zeigte auf einen hohen, schwarzen Rumpf, größtenteils verhüllt von zerrissenen Planen und schlaffer, dreckverschmierter Plastikfolie. Es erinnerte an irgendein widerwärtiges, blutsaugendes Flußmonster.
    »Oh, mein Gott«, hauchte Sally.
    »Seht ihr’s?« May schien die Konsterniertheit ihrer Begleiterinnen überhaupt nicht wahrzunehmen. »Es ist die Rose Revived.«
    Harriets Herz sank. Worauf hatte sie sich hier nur eingelassen? Die Vorstellung, in einer Jugendherberge zu nächtigen, war deprimierend gewesen, als es ihre einzige Möglichkeit zu sein schien, doch jetzt kam sie ihr unvergleichlich viel reizvoller vor, als im Bauch dieser Riesenschnecke zu schlafen.
    »Sie liegt gleich neben dem schwarzen da, der Shadowfax«, fuhr May fort, den Schalk im Nacken.
    Harriet und Sally entdeckten die Rose Revived gleichzeitig und stießen beide einen erleichterten Stoßseufzer aus. Mays Boot war größtenteils von der Shadowfax verdeckt, aber selbst das Wenige, das sie von ihr erkennen konnten, machte klar, daß die beiden Boote im Grunde nichts gemeinsam hatten, abgesehen von der Größe.
    »Wir müssen über die Schleuse da vorn«, erklärte May. »Seid vorsichtig.« Sie selbst überquerte den schmalen Steg mit einem erschreckenden Mangel an Vorsicht, die Taschen unter die Arme geklemmt.
    Die anderen beiden folgten etwas zögerlicher.
    May wartete schon. »Kommt. Wir müssen über die Shadowfax klettern – falls das geht mit dem Rock«, sagte sie zu Sally. »Gib mir deinen Koffer, Harriet. Oh, da ist Mike.« May wandte sich zum einzigen Gebäude in dem kleinen Bootshafen um. »Hi, Mike!« rief sie. »Ich hab’ eine Untermieterin und einen Job! Ich komm’ später vorbei und erzähl’ dir davon!«
    Mike brüllte etwas Unverständliches zurück und blieb dann stehen, um zuzusehen, wie Sally auf das Boot kletterte.
    Sally war am Ende des Pontons angekommen, setzte einen ihrer hochhackigen Füße auf das Schandeck – die oberste Planke, die praktisch den Bootsrand bildete – und kletterte mühelos an Bord der Shadowfax. Schließlich war es ja nur ihrer Gelenkigkeit zu verdanken, daß sie mal eine Rolle in einer Show am West End bekommen hatte.
    »Mann, so schmal!« rief sie aus, nachdem sie zur Rose Revived hinübergeklettert war und ihren hochgerutschten Rock wieder glattgestrichen hatte – eine große Enttäuschung für Mike und einen Jogger auf dem Treidelpfad am gegenüberliegenden Ufer. »Darf ich reingehen?«
    May schloß die Tür auf, und Sally neigte den Kopf ein wenig und trat ein. »Oh, May! Du bist ein Glückspilz!«
    Harriet traute sich nicht, ihre Habseligkeiten hier in dieser fremden Umgebung unbeaufsichtigt zu lassen, darum wartete sie am Ufer, bis May zurückkam. May schulterte die Reisetasche und winkte Harriet, ihr zu folgen.
    Als sie schließlich heil angekommen war und auf dem kleinen Welldeck stand, nahm Harriet ihr Übergangsheim genau in Augenschein. Wie die Shadowfax hatte auch die Rose Revived einen schwarzen Rumpf, doch die Seitenwände der Kajüte waren leuchtend blau, die Reling weiß. Der Aufbau hatte mehrere große Fenster, eingerahmt von weißen Holzläden.
    Harriet lehnte sich über die Reling. Der Name des Bootes stand auf beiden Seiten des Bugs, große, verschnörkelte Buchstaben in der Art, wie früher die Lieferwagen der Gemüsehändler beschriftet
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