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Wigges Tauschrausch

Wigges Tauschrausch

Titel: Wigges Tauschrausch
Autoren: Michael Wigge
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dann eine kleine professionelle Barter-Szene entwickelt, in der momentan vier Firmen tätig sind. Simon erzählt, dass er auf diese Weise zu einem regelrechten Profi für Nischenmärkte geworden sei. Er kennt potenzielle Abnehmer, von denen der Hersteller noch nicht einmal etwas ahnt.
    Gerne hätte ich mich noch länger über dieses spannende Thema unterhalten, doch ich bin schließlich in einer anderen Mission unterwegs. Ich wollte eine Flasche Sherry gegen etwas Höherwertiges tauschen – bei einem Tauschprofi wie Simon sicherlich kein leichter Job. Also biete ich Simon die Sherry-Flasche im Holzkasten an und weise auf ihren Seltenheitswert hin, schließlich ist die Kiste von Gefangenen hergestellt. Durch die große Glasfront in seinem Büro schaut Simon ungerührt auf den Kölner Dom, als abgeklärter Barter-Profi beeindruckt ihn der Seltenheitswert eines Gegenstands nur wenig, er schaut eher auf den materiellen Wert eines Gegenstands. Lediglich die Sherry-Flasche scheint es ihm angetan zu haben, so dass er schließlich im Lager verschwindet und mit 32der 90000 Smoothie-Flaschen wieder auftaucht. Ich gebe mich unzufrieden und beschwöre die hervorragende Qualität des Sherrys. Und ich habe Erfolg. Simon geht erneut ins Lager und legt noch einmal 28 Smoothie-Flaschen obendrauf, wobei er deutlich macht, dass das sein letztes Wort sei. Wir besiegeln den Tausch, wie es sich gehört, per Handschlag.
    Kurze Zeit später spielen sich dramatische Szenen vor Simons Büro ab. Ich versuche verzweifelt, fünfzig Smoothie-Flaschen auf meinen Armen zu balancieren und dem Stapel mit dem Kinn die nötige Stabilität zu verleihen. Zuerst fällt nur eine, dann mehrere Flaschen, schließlich stehe ich mit leeren Armen da und betrachte die Flaschen dabei, wie sie auf dem Boden herumrollen. Dasselbe Schauspiel wiederholt sich noch einige Male, während ich versuche, die Flaschen zu meinem Transporter zu bringen.
    Ich habe im Vorfeld meiner Tausch-Idee einfach nicht genug über die Logistik beim Transport von unhandlichen oder großen Gegenständen nachgedacht. Und während ich die Flaschen ein weiteres Mal aufsammele, sehe ich zu allem Überfluss, wie Simon auf seinem Fahrrad davonfährt und mir grinsend mit der Sherry-Flasche in der Hand zuwinkt. Ein echter Tauschprofi, der soeben den eigentlichen Vorteil seines Tauschobjekts erkannt hat. Ich habe auf dieser Reise wohl noch viel zu lernen.
    Die Passanten gehen mir schweigend aus dem Weg, wenn ich sie bitte, mich wenigsten von einigen der fünfzig nervigen Smoothie-Flaschen durch einen Tausch zu befreien. Eine ältere Dame sagt nur: »Jung, wat ligse do da uf dä Ääd erüm?«,bevor siemitRollator um die Ecke biegt.
    Während ich also weiterhin verzweifelt versuche, mein Auto zu erreichen, stelle ich fest, dass es mich zu allemÜberfluss wohl ausgerechnet auf den Zugweg einer Anti-Atomkraft-Demo verschlagen hat. Noch bevor ich von den Massen, die mir ihre Slogans entgegenschreien und diverse Banner für Wind- und Solarenergie mit sich führen, überrollt werde, kommt mir die Idee, dass dies hier meine Rettung sein könnte. Kurzerhand beteilige ich mich an den Sprechchören der Demonstranten: »Atomkraft stoppen, Atomkraft stoppen!«, »Aaab-schaaalten! Aaab-schaaalten!« Unauffällig mische ich Werbesprüche für meine Smoothies unter den Gesang, ohne das Anti-Atomkraft-Thema dabei aus den Augen zu verlieren: »Soft-Drinks statt Atom-Cocktail! Abschalten mit Genuss! Smoo-oothies! Leckere Smoo-oothies!« Auf diese Weise falle ich zwar auf, aber offensichtlich eher unangenehm, irritierte Blicke treffen mich.
    Also gehe ich lieber zu dem Stand hinüber, den die SPD am Rande des Geschehens aufgestellt hat. Zumindest die roten Smoothies könnten einen wunderbaren Werbeträger abgeben, oder vielleicht haben die Genossen ja auch nur einfach Durst, und Tauschen scheint mir doch eine wirklich sozialdemokratische Handlung zu sein. Ich wende mich an die zuständige Person für SPD -Luftballons und biete ihm an, meine Smoothies gegen seine Gasflasche zu tauschen, mit der er die Luftballons befüllt. Er wiegelt ab, und als ich nicht lockerlasse, schallt mir ein entnervtes »Neii-eiiin, hab ich gesagt!« entgegen.
    Ich ziehe weiter zu den Grünen, die an ihrem Stand mit den berühmten gelben Tonnen für die Endlagerung von Atommüll mit aufgedrucktem Strahlensymbol für den Atomausstieg demonstrieren. Ich spreche mit dem Verbandschef und erzähle ihm von meinem Hawaii-Traum. Er fragt, was das mit
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