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Wiedersehen in Kairo

Wiedersehen in Kairo

Titel: Wiedersehen in Kairo
Autoren: Jutta Ahrens
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doch drin, haben Sie den nicht gelesen?«
    »Nee, ich lese den SPIEGEL. Vielleicht war Ihr Artikel auf der zweiten Seite?«
    Klar, warum hatte Berger nicht daran gedacht? Aber auch dort fand er ihn nicht, ebenfalls nicht auf der Dritten oder vierten, auch nicht auf der letzten Seite. Also musste er sich das Ganze eingebildet haben. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Trotz des kalten Novembermorgens war sie schweißnass.
    Der Stress, es ist der Stress, dachte er. Das Weihnachtsgeschäft, die Sorgen, und ich weiß dieses Jahr wieder nicht, was ich Hannelore schenken soll. Ja, das wird es sein. Er blaffte Krause an: »So, heute haben Sie ja ein gutes Geschäft gemacht, nun beehren Sie bitte andere mit Ihrem – Ihrem Suppenblatt!«
    Krause rührte sich nicht, und Berger hatte nichts anderes erwartet.
    Am Abend konnte Berger aufatmen. Kein Ferrari war gestohlen, seine Frau hatte ihn nicht einmal benutzt.
    Anfang Dezember hatte Berger den Vorfall vollkommen vergessen. Das Weihnachtsgeschäft lief gut, aber er glaubte, es könnte noch besser gehen, wenn Krause nicht mit seiner Dezemberausgabe dort stehen würde. Heute versuchte Berger es mit weihnachtlicher Nächstenliebe. Er ging hinaus, drückte Krause einen Zwanziger in die Hand und raunte: »Hier, kaufen Sie sich einen warmen Schal dafür, und nun gehen Sie bitte ein paar Schritte weiter. Die Leute können ja die Auslagen gar nicht sehen. Glauben Sie mir, am Hauptbahnhof werden Sie Ihr Blatt viel besser los.«
    Krause grinste, bedankte sich für das Geld, reichte Berger eine Zeitung und sagte: »Die schenke ich Ihnen.«
    Berger wollte sie schon zurückweisen, als er auf der ersten Seite las: Jugendstilvilla in Klein-Flottbek ausgeraubt. In der Baron-Voght-Straße ist es einem dreisten Einbrecher gelungen, am helllichten Tag die Villa des Modezars Berger leerzuräumen …
    Berger fielen fast die Augen aus dem Kopf. Er klopfte auf die Zeitung und hielt sie Krause anklagend unter die Nase, als könne der etwas dafür. »Dort wohne ich, das ist mein Haus.«
    Krause kratzte sich am Kopf. »Was wollen Sie? Wie gesagt, ich lese das Blatt nicht. Ich lese den SPIEGEL.«
    »Den SPIEGEL, so, so«, brummte Berger, war aber mit seinen Gedanken ganz woanders. Er stürmte in den Laden, rief zu Hause an, natürlich war wieder niemand da und das Handy seiner Frau abgeschaltet. Berger rief Lotti zu, er sei bald zurück, riss seinen Mantel von der Garderobe, quetschte die Zeitung in die Tasche und hastete zum Parkhaus, wo sein Mercedes stand.
    Als er die Auffahrt zu seiner Villa hinauffuhr, sah alles aus wie immer. Natürlich! Die Einbrecher hatten keine Spuren hinterlassen. Alles Profis. Vor der Garagentür stand seine Frau, offensichtlich überrascht über sein Erscheinen. Berger verließ seinen Mercedes und lief auf sie zu. »Hannelore! Du weißt es noch nicht? Wir sind ausgeraubt worden.«
    Hannelore sah ihren Mann prüfend an, ob er vielleicht getrunken hatte. »Aber Wilfried, wie kommst du denn darauf?«
    »Du meinst, es wurde nicht eingebrochen? Nichts fehlt?« rief Berger atemlos.
    »Nichts, mein Guter. Nicht einmal der gefälschte Nolde, und den hätten die Einbrecher ruhig mitnehmen können.«
    »Aber hier steht es doch!« beharrte Berger und hielt seiner Frau die Zeitung hin. Jugendstilvilla in Klein-Flottbek ausgeraubt.«
    Hannelore überflog die Seite, dann tätschelte sie ihrem Mann die Wange. »Du musst mal ausspannen, Wilfried. Hier steht nichts von einem Einbruch.«
    »Nein?« Berger war fast erleichtert, doch dann fiel ihm die Sache mit dem Ferrari ein. Rasch überflog er die Seite. Seine Frau hatte recht, nichts von einem Einbruch. Dort, wo er glaubte, darüber gelesen zu haben, war ein Bericht über ein Wohnprojekt in Hummelsbüttel: Containerdorf auch für Obdachlose?
    Ich bin ja total mit den Nerven fertig, dachte Berger. Hannelore hat recht, ich muss wirklich mal ausspannen. Zwei Wochen Winterurlaub in St. Moritz, das wäre es. Berger atmete ein paar Mal tief durch, murmelte etwas von einem Versehen und fuhr ins Geschäft zurück.
    Trotz seiner angespannten Nerven überstand Berger den Dezember unbeschadet. Mit dem Umsatz war er zufrieden. Er fühlte sich ausgezeichnet und sagte den Skiurlaub ab. Schließlich war man als Chef stets unentbehrlich. Seine Laune verschlechterte sich mit dem Auftauchen Krauses. Krause trug jetzt gebrauchte Winterstiefel, Handschuhe und einen ausgefransten Schal. Punkt zehn stand er neben der Vitrine mit den seidenen
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