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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
Autoren: dtv
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Gebäude selbst war prachtvoll, geschmückt mit dem Ruhm einer anderen Ära. Wohin ich auch blickte, sah ich schwitzende junge Männer mit frischen Gesichtern, die unermüdlich tanzten. Die älteren Herren hielten sich wacker und wechseltenvon Walzer zu Foxtrott, ohne ins Raucherzimmer zu verschwinden. Die dunklen Farben der Kriegsjahre waren vergessen, Gelb und Blau und Smaragdgrün färbten die Tanzfläche bunt. Und als Violet Eccleston mir hinter einer Säule auflauerte und mich fragte, ob ich nicht auch der Meinung sei, dass Tanz im Grunde nur eine Fortsetzung alter Balzrituale sei, erschien wie durch ein Wunder Freddie Masters und zauberte sie zum Tanzen davon.
    Auch Neil Maclean wirkte gut gelaunt. Ich sah, dass er häufig mit Margot tanzte, und bemerkte den Gesichtsausdruck des Amerikaners, ein besonders strahlendes Lächeln, das ich bei vielen Männern gesehen hatte, die in Margot verliebt waren. Der Blick in ihren Augen war mir hingegen neu. Keine Koketterie, kein Flirten, kein Triumph, nicht der Blick eines Eroberers, der seinen Gefangenen präsentiert. Nicht einmal Leidenschaft oder Gelächter oder Feuer. Sie wirkte zufrieden. Gelassen. Glücklich zu sein, wo sie war, ohne über diesen Moment hinaus zu denken.
    Lady Stansbury hatte es auch bemerkt. Ich begegnete ihr auf der Treppe, die auf die Galerie führte. Sie blickte über die Köpfe ihrer Gäste und sah ihre Tochter tanzen.
    »Außer Dienst?«, fragte ich fröhlich und in einem vertrauteren Ton, als wir ihn je miteinander gepflegt hatten.
    »Eine Gastgeberin ist niemals außer Dienst. Kaum entspanne ich mich einen Augenblick, schon passiert ein Malheur mit den Baisers.« Ich lachte, und ihre Augen kehrten wieder zu Margot und Maclean zurück. »Die beiden sind ein schönes Paar, nicht wahr?«
    Das konnte ich nicht bestreiten.
    »Seine Familie ist in amerikanischen Kreisen sehr angesehen. Ich muss gestehen, ich hatte eine Zeitlang meine Zweifel, doch wir müssen mit der Zeit gehen, Tom.«
    Sie wandte sich zu mir und schaute mich sanft an. In ihren Augen las ich etwas von der Verträumtheit, die ich noch ausder Vorkriegszeit kannte, bevor der Kummer diesen unerwartet entschlossenen Kern in ihr zum Leben erweckt hatte.
    »Ich habe Ihnen noch gar nicht richtig für Ihre freundlichen Worte über Harry gedankt. Sir Robert wollte unbedingt, dass Sie das übernehmen. Ich weiß, dass Harry Ihnen eigentlich nicht lag, aber ich wusste, dass Sie das Richtige sagen würden.«
    Ich wollte es schon abtun, aber das ließ sie nicht zu.
    »Sie können es ruhig zugeben, Tom. Ich weiß, Harry hatte seine Fehler. Er war ein lieber Junge, und als Mutter war ich unglaublich stolz auf ihn. Aber er war eben nur ein Junge. Kein Heiliger. Das wissen wir beide.« Sie sah wieder zu den Tanzenden. »Ich stelle mir gerne vor, dass er vielleicht erwachsen geworden wäre, wenn er überlebt hätte, und einige Lektionen gelernt hätte und ein guter Mensch geworden wäre. Doch das hofft natürlich jede Mutter. Es nicht zu wissen, fällt mir schwer. Viel schwerer, als ich gedacht hätte.«
    Als ich ging, schaute sie Margot noch immer beim Tanzen zu.
    Um Viertel vor zwölf sah ich Reggie das nächste Mal. Ich hatte mich auf die Galerie zurückgezogen, um Atem zu schöpfen, und genoss von dort aus einen perfekten Blick auf die Große Halle und die Türen. Reggie saß ganz still in der Nähe der Haupttür, allein, er schien die Tanzenden zu beobachten. Etwas in seiner Haltung oder seinem Gesicht erregte meine Aufmerksamkeit. Er wirkte missmutig, schien sich aber auf irgendeine Handlung vorzubereiten.
    Mein Instinkt riet mir, zu ihm zu gehen, doch bevor ich mich bewegen konnte, hatte er sich nach vorn in Richtung Tanzfläche geschoben. Die überraschten Gäste entschuldigten sich und machten Platz. Als er die Tanzfläche erreichte, wurde er nicht langsamer; er rollte einfach weiter, so dass die Paare ihm ausweichen mussten. Viele bemerkten ihn erst, alses zu spät war, und kamen stolpernd zum Stehen; die meisten in der Halle aber sahen ihn gar nicht. Es war seltsam, doch je mehr er sich der Mitte des Raumes näherte, desto weniger störte er. Die Tänzer bewegten sich ganz natürlich um ihn herum, bis er zu einem festen Punkt in der Mitte des Strudels geworden war. Dann griff er unter die Decke, die auf seinem Schoß lag.
    Es schien unmöglich, dass die Tanzpaare um ihn herum ihn nicht wahrnahmen, doch falls sie ihn bemerkten, zeigten sie es nicht. Vielleicht dachten sie, es sei geplant,
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