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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
Autoren: dtv
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sollen. Aber mir fehlte der Mut.«
    Die Saatkrähen, die sich zuvor in so großer Zahl auf den Feldern versammelt hatten, waren nicht mehr da, doch hoch über uns kreiste ein einsamer Bussard. In der Stille darunter erzählte ich Anne alles, was ich an diesem Morgen von Reggie erfahren hatte – über Julia, über Julian Trevelyan und über Harry. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob sie mir zuhörte, doch als ich weitersprach, wurde die Furche auf ihrer Stirn tiefer.
    »Eine ziemlich trostlose Geschichte, nicht wahr?«
    Sie schien nach Worten zu suchen. »Es ist entsetzlich. Furchtbar. Julian Trevelyan … Wie konnte er nur? Wie konnte er es wagen zu glauben …« Sie verstummte kopfschüttelnd. »Und doch … Er hatte so etwas an sich. Er dachte, ihm stünde von Rechts wegen alles zu, was er haben wollte.«
    »Und was ist mit Harry? Er hat ihn gedeckt. Das ist auch ziemlich schockierend.«
    Sie schaute zu mir auf und schüttelte den Kopf. »Nein, Tom. Das überrascht mich nicht. Ich hätte Ihnen gleich sagen können, dass Harry schwach war.«
    »Dann kannten Sie ihn besser als ich. Ich bin nie richtig mit ihm warm geworden, aber das hätte ich ihm nicht zugetraut.«
    Ich hielt inne, weil ich nicht wusste, ob ich weitersprechen sollte.
    »Als ich dort in der Kirche stand und die Liste seiner militärischen Einsätze las – die Daten und Orte, an denen er stationiert war –, konnte ich einfach nicht fassen, in wie kurzer Zeit das alles geschehen ist. Ich glaube, mir ist erst jetzt bewusstgeworden, wie wenig Harry überhaupt vom Krieg miterlebt hat. Er starb, bevor es richtig losging, damals, als man es fast noch als Abenteuer betrachten konnte.«
    »Sie klingen verbittert.«
    »Das bin ich wohl auch. Es ist lächerlich, oder? Aber wenn ich bedenke, was für ein Hurrapatriot er war, wie er alle gedrängt hat, ihm zu folgen, als wäre das Ganze nur ein Riesenspaß …« Ich schüttelte den Kopf. »Wie typisch, dass Harry das nicht begriffen hat. So war er immer. Er blieb nie dabei, wenn es ernst wurde. Wir anderen haben die jahrelange, quälende Hoffnungslosigkeit erduldet. Harry hat sich kaum die Knie schmutzig gemacht.«
    Anne musterte mich. »Und doch haben Sie in der Kirche gestanden und gesagt, was alle hören wollten.«
    Ich nickte und wandte mich ab.
    »Fast hätte ich es nicht getan. Ich bin heute Morgen mit dem festen Vorsatz dorthin gegangen, ihnen zu sagen, dass Harry nicht der Held war, für den sie ihn halten. Das ist keiner von uns. Ich wollte ihnen begreiflich machen, dass die Männer vor Angst gebebt haben, als sie starben. Aber wissen Sie was? Freddie Masters hat recht. Es hat keinen Sinn, die Wahrheit zu sagen. Ich habe in all diese Gesichter geschaut, die zu mir aufblickten, feierlich und erwartungsvoll. Die von mir erwarteten, dass ich ihnen den Sinn all dessen erkläre. Die von mir erwartet haben, dass ich ihnen zeige, wieso Harrys Tod einen Wert und eine Bedeutung hat und was daran gut ist.«
    Ich senkte den Blick. »Haben Sie die ganzen Fotografien bemerkt? Als wir an Weihnachten durchs Dorf gegangen sind? In jedem Dorf am Moor steht auf jedem Kaminsims ein Bild, wie tausend winzige Lichter, die immer noch brennen. Ich hätte mich in die Kirche stellen und sagen können, dass alles elend und vergeblich und barbarisch war, aber ich habe es nicht über mich gebracht. Ich musste ihnen sagen, was siehören wollten, dass Harry Stansbury für die edelste Sache in unserer gesamten Geschichte gestorben ist und wie stolz wir darauf sein müssen, dass England solche Männer hervorgebracht hat.«
    Wir waren mitten auf einem der großen Felder am Hang angelangt, zwei einsame Gestalten in einer leeren Landschaft.
    »War es falsch von mir? Sagen Sie mir, was Sie denken.«
    Doch Anne schüttelte den Kopf. Nun war sie es, die sich abwandte.
    »Wissen Sie noch, wie Sie mich nach dem Samstag gefragt haben? Dem Samstag vor dem Rosenball? Ich habe gesagt, ich könnte mich kaum daran erinnern. Nun, ich habe an jenem Morgen mit Harry Tennis gespielt.«
    Ich nickte und fragte mich, worauf sie hinauswollte.
    »Wissen Sie noch, wie sicher ich mir war, dass Harry an jenem Nachmittag nicht mit Julia Woodward im Bootshaus war?« Sie betrachtete forschend mein Gesicht. »Haben Sie sich nicht gefragt, warum ich mir so sicher war? Fanden Sie das nicht seltsam? Ich war nämlich mit ihm zusammen. An jenem Nachmittag. Den ganzen Nachmittag.« Sie hielt inne. »In meinem Zimmer, oben im Haus.«
    »Verstehe.« Ich schaute
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